Als die Theatertage Marzahn-Hellersdorf vor 25 Jahren das erste Mal stattfanden, war das Fach Darstellendes Spiel noch im Aufbau. Matthias Weißschuh, Lehrer am Otto-Nagel-Gymnasium in Biesdorf ist seit vier Jahren Leiter des Festivals. Barbara Hoppe sprach mit ihm über das Jubiläum, das Potenzial, das im Darstellenden Spiel liegen und seine schönsten Theatermomente.
Feuilletonscout: Was ist das Theaterfestival Marzahn-Hellersdorf und wann und wie entstand die Idee dazu?
Matthias Weißschuh: Die Theatertage der Marzahner und Hellersdorfer Oberschulen entstanden aufgrund einer Idee der DS-Lehrerin Angelika Höhne vom Siemens-Gymnasium. 1998 fanden die ersten Theatertage im Stadtbezirk statt. Grund dafür war, dass das Fach Darstellendes Spiel seinerzeit im Aufbau begriffen war. Zumindest im Ostteil der Stadt. Im Westteil gab es diese Strukturen schon länger. Durch die Theatertage sollten die Schüler*innen voneinander lernen, sich gegenseitig sehen und in den Erfahrungsaustausch treten. Auch für die Kolleg*innen, die das „neue“ Fach unterrichteten und die z.T. noch keine Ausbildung oder Erfahrung hatten, sollten damit ein Podium des Austausches finden.
2021 erweiterten wir die Theatertage dann um den Kurzfilmwettbewerb und digitaler Kunst, wodurch wir mit der Namensänderung Theaterfestival Marzahn/Hellersdorf den inklusiven und spartenübergreifenden Aspekt betonen wollten. Heute soll Theaterfestival vor allem die künstlerische Gemeinschaft mit Gleichgesinnten sowie in Kooperation und der finanziellen Unterstützung vom Fachbereich Kultur des Bezirksamtes Marzahn/Hellersdorf die Schulbezirksarbeit stärken.
Feuilletonscout: Wer macht beim Theaterfestival mit? Von wo und von wem erhalten Sie Bewerbungen?
Matthias Weißschuh: Am Theaterfestival nehmen die Schulen aus dem Bezirk Marzahn/Hellersdorf und weiterem Umkreis teil. Hierbei treten die einzelnen Spielgruppen der Fachbereiche Darstellendes Spiel der Schulen gegeneinander an. Bewerbungen kommen von den Spielleiterinnen, also den Theaterlehrer*innen der teilnehmenden Gymnasien und Gesamtschulen. Dieses Jahr haben wir auch ein eigenständig entwickeltes Schüler*innenprojekt dabei. Die Einreichungen zum Kurzfilmfestival stammen von einzelnen Schüler*innengruppen aller Altersstufen, die ihre Freizeit aufgewendet haben, um einen Kurzfilm für den Wettbewerb zu drehen. Im letzten Jahr durften wir auch die Theatergruppe „Reifes Theater“ für eine Aufführung bei unserem Festival begrüßen, in der Senioren und Seniorinnen kurze Sketche spielten und so eine intergenerationale Verbindung mit den Schüler*innen durch das Theaterspielen schaffen.
Feuilletonscout: Wie viele Bewerbungen sind es im Schnitt?
Matthias Weißschuh: Vor Corona gab es eine Beteiligung von ca. 15 Theaterstücken. Nach Corona gab es leider einen kleinen Einbruch, wodurch im Schnitt 10 Bewerbungen von 5 Schulen erwartet werden.
Feuilletonscout: Wie alt sind die Teilnehmenden?
Matthias Weißschuh: Die Spieler*innen im Theaterwettbewerb sind aus den Oberstufenkursen und somit 16-18 Jahre alt. Die Produzent*innen des Kurzfilmwettbewerbs kommen aus allen Jahrgangsstufen. Die Gewinner*innen des letzten Jahres kamen aus der 8. Klasse und produzierten einen wahnsinnig komödiantischen Krimi.
Feuilletonscout: Wer stellt die Jury?
Matthias Weißschuh: Die Jury wird von professionellen Bühnenkünstler*innen aus den Bereichen Film, Theater und Tanz gestellt. Als langjährigen Theaterschauspieler konnte wieder Gero Bergmann, als Filmschauspieler Sebastian Freigang und zuständig für den Bereich Tanz-/Bewegungstheater Maike Bartz gewonnen werden.
Feuilletonscout: In diesem Jahr findet das Theaterfestival zum 25. Mal statt. Ist für dieses Jubiläum etwas Besonderes geplant?
Matthias Weißschuh: Zur Eröffnungsveranstaltung wollen wir in diesem Jahr einen kleinen Rückblick auf die letzten 25 Editionen mit einer Collage von Bildern der vergangenen Produktionen geben. Unsere Schirmherrin Frau Petra Pau und unser Bezirksstadtrat Herr Stefan Bley werden einige Worte an das Publikum richten und auf die Bühne eingeladen sind alle ehemaligen Leiter*innen, die von ihren besonderen Momenten mit dem Festival erzählen werden.
Feuilletonscout: Gibt es in diesem Jahr etwas Neues/eine Neuerung?
Matthias Weißschuh: Nachdem wir im letzten Jahr eine Installation mit einer künstlichen Intelligenz präsentierten, die den Spielenden einen Improvisationsauftrag gegeben hat, den sie dann in einer virtuellen Realität gelöst haben, entschlossen wir uns in diesem Jahr als Neuerung die Preisstruktur zu verändern. Die Preise werden nun von Schüler*innen des Kunstsachbereiches unserer Schule in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Anna Gusella in ihrer Keramikwerkstatt selbst hergestellt und am Ende in überarbeiteten Kategorien vergeben. Hier soll nun nicht mehr die „Beste“ Produktion ausgezeichnet werden, sondern z.B. das mutigste Stück, die beste Bildwirkung oder der beste Humor, um so das Nachdenken über die eigenen Stärken zu fördern.
Feuilletonscout: Gab es im Laufe der Jahre Veränderungen?
Matthias Weißschuh: Es gab immer wieder wechselnde Leiter*innen, bis ich vor 4 Jahren die Leitung übernommen habe. Zu diesem Zeitpunkt haben wir dann auch den Kurzfilmwettbewerb hinzugenommen und das Festival wurde auch langsam in die digitale Welt transferiert. Wir eröffneten Kanäle auf den sozialen Medien, um noch mehr theaterbegeisterte Schüler*innen anzusprechen, konnten teilweise die Produktionen für das Publikum zuhause streamen und möchten nun auch die Teilnahme am Festival weiter für Produktionen außerhalb des Bezirks öffnen. Außerdem gab es immer wieder wechselnde Besetzungen der Jury und der Struktur der Theaterwoche, die sich den aktuellen Anforderungen des Schulbetriebs stellen muss. Bevor das Festival vor vier Jahren an das Otto-Nagel-Gymnasium geholt wurde, an der ich arbeite und wodurch ich auch die Unterstützung der Schulgemeinschaft bei der Planung und Durchführung erfahren durfte, wurde lange Jahre die Veranstaltung am Wilhelm-von-Siemens-Gymnasium durchgeführt.
Feuilletonscout: Gibt es etwas, auf das Sie sich immer besonders freuen?
Matthias Weißschuh: Ich liebe es die Spielfreude der jungen Spieler*innen zu sehen, für die der Auftritt vor ihren Klassenkamerad*innen so ein wichtiger und emotionaler Moment ist, in dem sie ihr Werk und die erarbeiteten Gedanken dahinter weitertragen können. Mich berührt es, wenn die Produktion einer anderen Schule mit solch einem Respekt gefeiert und die Arbeit dahinter wertgeschätzt wird. Dann fühlt es sich so an, als ob es einen gemeinsamen Geist gibt, der auf der Bühne nach Antworten auf die aktuell bedrückenden Fragen des Lebens und in all der Überforderung des Schulalltags nach der zeitlosen Magie des Theaters sucht.
Feuilletonscout: Gibt es etwas, dass Sie besonders beeindruckt, berührt oder begeistert hat?
Matthias Weißschuh: Mich berühren immer wieder diese jungen Spieler*innen, die über sich hinauswachsen auf der Bühne und dann ein/e Kolleg*in kommt und erstaunt mitteilt, dass sie den Schüler/in noch nie so gesehen/erlebt hat wie in dieser Bühnenfigur. Dazu begeistert mich die Selbstständigkeit und der gemeinsame Zusammenhalt der einzelnen Gruppen, da eine Theateraufführung nur gemeinsam funktionieren kann und jeder/e einzelne Person dafür seinen Platz hat.
Feuilletonscout: Wer sind die Besucher des Festivals? Wie viele kommen im Schnitt?
Matthias Weißschuh: Die Besucher des Festivals sind meist Freund*innen der Spielgruppen oder interessierte Schüler*innen der Schulen, aber manchmal finden sich auch Eltern oder ehemalige Schüler*innen, die aktuelle Produktionen ihrer Schulen anschauen möchten. Für einige Veranstaltungen war unsere Aula mit ca. 200 Plätzen bis auf den letzten Platz voll. Gerade für Veranstaltungen, die dann nach Schulschluss stattfanden, war es entsprechend weniger Publikum, wobei wir dieses Jahr versuchen, die Veranstaltungen in einem Block stattfinden zu lassen, um so das Publikum bei den verschiedenen Veranstaltungen halten zu können.
Feuilletonscout: Wie wirkt sich das Festival auf die Schule, die Lehrer und Schüler aus?
Matthias Weißschuh: Natürlich muss so ein Kosmos Schule erst einmal viele Herausforderungen in so einer Woche stemmen, wie z.B. die veränderten Essenszeiten, die logischen Herausforderungen und die im Unterricht fehlenden Teilnehmenden, aber natürlich freuen sich die Klassen auch, wenn sie live in ihrer Schule eine Theatervorstellung besuchen dürfen, oder sich die Aulabühne in immer neue Bühnenwelten verwandelt. Die Schule ist dankbar hierbei Gastgeber zu sein und den Teilnehmenden diesen Raum des Zusammenkommens zu ermöglichen.
Feuilletonscout: Was ist für Sie das schönste Feedback?
Matthias Weißschuh: Wenn ich erfahre, dass ein Schüler*in eine professionelle Schauspielausbildung begonnen hat, oder auch im Amateurbereich weiter Bühnenprojekte plant und sich so dem Theater weiterhin verbunden fühlt, dann freue ich mich mit dem Fes-val Teil dieses Lebensweges gewesen zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch, Matthias Weißschuh!
Theaterfestival Marzahn-Hellersdorf
27. Februar -3. März 2024
instagram: @theaterfestival_ma_he