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Kulturtipp: Musik, Gedächtnis und Politik

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikBei kaum einem anderen Komponisten als Hanns Eisler ging das Eintreten für musikalischen Fortschritt mit ebenso leidenschaftlichem Engagement für gesellschaftliche Erneuerung einher. Heute wirken viele seiner Kompositionen und Texte wie Manifeste gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Faschismus. Wie sehr dies Hanns Eislers Zeitgenossen und Nachfolger inspirierte, macht ein Gastspiel des Orchestre les Métamorphoses unter Leitung von Amaury du Closel  am 13. Juni 2022 im Wiener Arnold Schönberg Centrum erfahrbar. Dem Konzert geht ein Kongress voraus, der ebenfalls im Rahmen des EU-Projekts „Musik, Erinnerung und europäische Bürgerschaft“ stattfindet.

Konzert und Kongress
MUSIK, GEDÄCHTNIS UND POLITIK

Orchestre Les Métamorphoses
Magali Paliès, Mezzosopran
Amaury du Closel, Dirigent

Stefan Wolpe:  Dekret Nr. 2: An die Armee der Künstler op. 7/2
Luciano Berio: O King
Hanns Eisler:Kantate im Exil, Die römische Kantate, Ballade vom Nigger Jim, Song von Angebot und Nachfrage
Amaury du Closel: Stolperstein
Emil František Burian: Suite américaine op. 15 

Im Zentrum des Konzerts im Wiener Arnold Schönberg Center stehen mehrere Werke für Gesangsstimme und Orchesterbesetzung aus Hanns Eislers Exiljahren, in denen er bevorzugt im strengen Zwölftonstil komponierte. Die Römische Kantate spielt auf den italienischen Faschismus an, gilt aber für alle despotischen Herrschaftssysteme. Die Ballade vom „Nigger Jim“ nennt die rassistische Unterdrückung in den USA während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beim Namen. Für seinen Song von Angebot und Nachfrage hatte Hanns Eisler die Auswüchse des Kapitalismus in den USA unmittelbar vor Augen. Kein Zufall, dass Eisler im Jahr 1947 wegen „unamerikanischer Umtriebe“ wieder aus den USA ausgebürgert wurde?

Seelenverwandt mit Hanns Eislers künstlerischer Mission wirkt Stefan Wolpes Dekret an die Armee der Künstler. Luciano Berios Stück O King entstand im Jahr 1968 als Hommage an den ermordeten Martin Luther King. Ganz ohne Worte kommt die Klangstudie Stolpersteine von Amaury du Closel aus. Das im letzten Jahr komponierte Stück erfährt in Wien seine österreichische Erstaufführung. Emil František Burians Suite américaine vollführt einen Zeitsprung zurück in die 1926er-Jahre. Eine dominierende Jazzstilistik bringt hier den Freiheitsdrang der Roaring Twenties zum Klingen.

Amaury du Closel

Amaury du Closel dirigiert als künstlerischer Leiter das Orchestre Les Métamorphoses. Dieses junge, circa 50-köpfige Orchester bearbeitet ein breites Repertoire vom Barock bis ins 20. Jahrhundert in einer historisch informierten Spielweise, die dem Konzept Nicolaus Harnoncourts nahe steht. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr ein Projekt mit Vokal- und Sinfoniewerken des Fin de Siècle von Wiener Komponisten wie Gustav Mahler, Franz Schreker und Alexander von Zemlinsky.

Magali Paliès, Mezzosopran

studierte in der Maîtrise de Radio France und wechselte dann zum CNR de Saint-Maur-des-Fossés, wo sie bei Mady Mesplé und später bei Yves Sotin studierte. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und besuchte die Meisterklasse von Teresa Berganza in Santander. Magali Paliès künstlerisches Spektrum reicht von Oper über Theater bis zur Kammermusik, dabei entwickelt sie in eigenen Projekten neue lyrische Aufführungsformen. Im Jahr 2009 gründete sie die Compagnie Coïncidences Vocales und ist seitdem deren künstlerische Leiterin. Sie hat bereits bei Aufführungen der Kompositionen von Amaury du Closel mitgewirkt.

Kongress und Diskussion

Als Vorbereitung auf den Konzertabend will ein international besetzter Kongress die Rolle von Musik in Gesellschaft und Zeitgeschichte vertiefend aufarbeiten. Amaury du Closel nimmt sich der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit in der Ukraine an. Dario Martinelli aus Kaunas referiert über die „singende Revolution 1987-1991“ im Baltikum. Weitere Referenten sind Philippe Olivier (Strasbourg-Berlin), Jordi Guixe (Barcelona), Pascale Bernheim (Paris), Gerold Gruber (Wien) und Frank Harders (Berlin).

Das Erweckte-Stimmen-Forum Wien

Das Erweckte-Stimmen-Forum Wien (ESFW) wurde im Oktober 2015 als eigenständige Kulturinstitution unter dem Namen Erstickte-Stimmen-Forum Wien gegründet. Das Forum hat das Ziel, Komponisten und ihre Werke, die vom Nationalsozialismus und anderen totalitären europäischen Regimes verfemt wurden, zu fördern und zu verbreiten. Auch im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine lässt sich die Arbeit des Forums als besonders sinnvoll wahrnehmen, indem sie uns dazu auffordert, angesichts der historischen Ereignisse über die politischen, humanitären und kulturellen Folgen nachzudenken.

Le Cercle

Le Cercle ist ein frankophoner Verein mit Sitz bei Wien, der für alle offen ist. Sein Ziel ist es, frankophone und frankophile Menschen bei Debatten, Veranstaltungen und Abenden zusammenzubringen. Hier unterstützt er als weiterer Partner das EU-Projekt „Musik, Erinnerung und europäische Bürgerschaft“.

Arnold Schönberg Center in Wien

Das Arnold Schönberg Center in Wien ist seit 1998 der zentrale Bewahrungsort von Schönbergs Nachlass und ein öffentliches Kulturzentrum. Trägerorganisation ist die Arnold Schönberg Center Privatstiftung, die gemeinsam von der Stadt Wien und der Internationalen Schönberg-Gesellschaft errichtet wurde. Zum regelmäßigen Veranstaltungsprogramm gehören Vorträge, Seminare und Konzertabende.

Montag, 13. Juni 2022
Konzert 19.30 Uhr, Kongress 15.30 Uhr
Arnold Schönberg Center, Schwarzenbergplatz 6, 1030 Wien

Weitere Informationen hier oder unter info@esfw.eu.

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