Christian Erny, geboren 1988 im schweizerischen Winterthur, bekam bereits mit sechs Jahren die erste professionelle Klavierausbildung. Seitdem ist der Schweizer ein gefragter Pianist. Daneben hat er früh als Chorleiter begonnen und inzwischen unterrichtet er selbst am Konservatorium in Winterthur.
Jüngst erschien sein Debütalbum „Les Parfums, les Couleurs et les sons se répondent. Piano Works by Liszt and Debussy“.
Feuilletonscout: Auf Ihrem Debütalbum stellen Sie eine Verbindung her zwischen Franz Liszt und Claude Debussy. Warum diese beiden?
Christian Erny: Beides sind Komponisten, mit denen ich mich früh in meiner Ausbildung zu beschäftigen begonnen habe. Als das Thema einer CD-Aufnahme aufkam, war für mich schnell klar, dass es sich um diese beiden Komponisten handeln wird, ich hatte mich intensiv genug mit ihnen auseinandergesetzt, dass ich mir zutraute, ihre Musik aufzunehmen. Es war für mich sehr wichtig, dass ich mir sicher sein kann, mit meiner ersten CD musikalisch überzeugende Aussagen machen zu können.
Ich sehe in der Musik von Liszt eine starke Verbindung zu Debussy. In seinen mittleren und späten Werken deutet er Debussys koloristisch harmonische Sprache bereits an, vor allem aber teilen sie die Idee, außermusikalische Einflüsse in ihren Kompositionen umzusetzen. Was mich dabei besonders fasziniert, ist, dass dies niemals auf plakative Weise geschieht. Die Musik lässt einem enorm viel Raum für Phantasie.
Feuilletonscout: Wie kamen Sie auf den Titel Les Parfums, les Couleurs et les sons se répondent. (Bei Musik denkt man ja nicht gleich an Duft, vielleicht etwas an Farben – Stichwort Synästhesie – und natürlich an Töne).
Christian Erny: Der Titel ist ein Zitat aus dem Gedicht Corréspondances von Charles Baudelaire. Debussy hat diesen Dichter enorm geschätzt und auch viele seiner Gedichte vertont. Es geht in dem Satz um den Versuch, alles auf möglichst vielen Ebenen und mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu verstehen. Etwas abstrakt gesagt: man riecht Töne, hört Düfte etc. (die Synästhesie spielt hier tatsächlich eine wichtige Rolle). Debussys Musik enthält sehr viel von diesem Verständnis: verschiedenste Symbole aus Natur, Sprache etc. spielen in seine Kompositionen hinein und vereinen sich zu einem künstlerischen Kollektiv.
Feuilletonscout: Was hat Ihnen an der Arbeit bei Ihrem Debütalbum besonders gut gefallen?
Christian Erny: Die Vielfältigkeit, die einem diese Musik bietet. Dies hat mir auch die Energie und die Motivation gegeben, über einen so langen Zeitraum an dem Repertoire zu arbeiten. Die Stücke gehen so tief, dass man von Mal zu Mal etwas Neues in ihnen entdeckt. Ich habe das Programm vor den Aufnahmen immer wieder in Konzerten gespielt, mir Ratschläge von anderen Musikern geholt – so wuchs alles mehr und mehr zu etwas Ganzem zusammen. Im Studio hat man dann die Möglichkeit, dies definitiv festzuhalten, was etwas sehr Schönes ist.
Feuilletonscout: Waren Sie zum Erscheinungstermin aufgeregt?
Christian Erny: Eher erleichtert. Ich hatte sehr viel Zeit und Energie in das Projekt investiert und als die CD dann erschien, konnte ich aufatmen. Die Aufregung stellt sich eher jetzt, ein paar Wochen nach der Veröffentlichung, ein, da ich nun die ersten Kommentare auf die Platte erwarten kann.
Feuilletonscout: Sie sind Pianist, Dirigent und Pädagoge. Wie viel Pädagogik ist in Musik?
Christian Erny: Ich hatte das Glück, schon früh an guten Schulen unterrichten zu dürfen und es macht mir sehr viel Freude, anderen auf dem Instrument und in der Musik weiterzuhelfen. Meiner Ansicht nach sind die einzelnen pädagogischen Schritte sehr wichtig, um auf dem Instrument voranzukommen und man sollte nicht darüber hinweg hetzen. Man braucht Zeit für einen vorsichtigen Aufbau. Dies spielt auch eine Rolle in der Arbeit als Dirigent, wo man ja auch eine Art Pädagoge ist: Schritt für Schritt versuchen weiterzukommen und besser zu werden.
Feuilletonscout: Was versuchen Sie, Ihren Schülern beizubringen?
Christian Erny: Eine saubere Technik ist unabdingbar und ich lege viel Wert darauf. Technik sollte aber kein Selbstzweck sein und nicht von der Musik separiert werden, sie ist eher ein Mittel, um die musikalischen Entscheidungen umzusetzen. Mir ist es darum wichtig, dass die Schüler die Musik verstehen und dass sie bewusst spielen. Ich spreche mit ihnen viel über verschiedene Stimmungen und Charaktere, die die Musik vermittelt und lasse sie den Notentext analysieren, damit sie schlussendlich ihre eigenen sinnvollen Entscheidungen treffen können.
Feuilletonscout: Sie haben zusätzlich noch ein eigenes Vokalensemble gegründet. Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit den Zurich Chamber Singers?
Christian Erny: Die ZCS sind ein sehr aufregendes Projekt, in das ich viel Zeit und Energie investiere. Es macht mir enorm viel Freude, mit solch guten Sängern Projekte zu realisieren. Da ich meine ganze Jugend immer in Chören gesungen habe, steht mir diese Art von Musik sehr nahe und es ist mir wichtig, neben dem Klavier auch in diesem Bereich weiterzukommen.
Feuilletonscout: Haben Sie Angst, in der Gewohnheit stecken zu bleiben?
Christian Erny: Nein, zumindest im Moment nicht. Das Schöne ist, dass die Musik einem ja so viel Stoff bietet, an dem man arbeiten kann. Da ich meistens mehrere Projekte gleichzeitig habe und in verschiedenen Bereichen tätig bin, ist für Abwechslung gesorgt. Wichtig ist, dass man aktiv bleibt und versucht, neue Ideen umzusetzen – ich bin ohnehin eher der Typ, der nicht allzu lange stillsitzen kann…
Feuilletonscout: Sie kochen zweimal im Monat ehrenamtlich im Kulturbetrieb Winterthur. Ist Kochen für Sie ein Gegensatz zur Musik und ihrem Betrieb oder eine bereichernde Ergänzung?
Christian Erny: Kochen ist schon seit Jahren mein liebstes Hobby. Ich liebe gutes Essen und es macht mir enorm Spaß, für Freunde oder eben im Kulturbetrieb zu kochen. In der Küche kann ich runterfahren, es ist ein wunderbarer Ausgleich. Als gegensätzlich zur Musik sehe ich es nicht – ich bin ein Genussmensch, der sowohl gute Musik als auch gutes Essen braucht…
Feuilletonscout: Wie sind Ihre nächsten Pläne?
Christian Erny: Zur Zeit stecke ich in der Planung zweier neuen Projekte mit den ZCS und bereite ein neues Solo-Programm mit Werken von Beethoven, Brahms und Rihm vor. Ferner laufen bereits wieder Vorbereitungen für ein nächstes CD-Projekt, über das ich aber noch nicht konkret sprechen kann.
Feuilletonscout: Und wann spielen Sie in Deutschland?
Christian Erny: Möglichst bald, hoffe ich.
Vielen Dank für das Gespräch, Christian Erny!
Christian Erny
Les Parfums, les Couleurs et les sons se répondent
Piano Works by Liszt and Debussy
Solo Musica (Sony Music), 2016
Pingback: Gezeichnet von Brüchen: Das Leben und Werk von Arthur Lourié. Christian Erny nimmt uns mit auf eine Entdeckungstour | Feuilletonscout