Kolumne von Susanne Falk.
Wo war ich da nur hineingeraten? War das ein Kult? Ein heimliches Treffen der Anonymen Tischlersüchtigen? Zwischen fasziniert und geschockt verbrachte ich einen Abend zwischen Bibliophilen, die nur ein Thema hatten: das perfekte Regal.
Wer viele Bücher aber kein Budget hat, der landet irgendwann zwangsläufig bei IKEA. Doch wenn Menschen älter werden, kommen sie hin und wieder auch mal zu Geld und das investieren viele Bücherfreunde offenbar in vom Tischler perfekt an ihre Wohnungen angepasste Bücherregale. Und führen dann Gespräche mit anderen Bibliophilen über Themen wie „Rollbare Leiter oder Treppe?“. Auch Sätze wie „Habt ihr über Türen nachgedacht?“ werden hier plötzlich zum Ausdruck größtmöglichen Luxus‘.
Ich persönlich denke nie über Türen nach, es sei denn, in dem Lokal, in dem ich mich gerade befinde, ist die Klotür kaputt. Ansonsten spielen Türen in meinem Bewusstsein ebenso wenig eine Rolle wie freistehende Leitern oder solche, die auf Schienen rollen können. Auch Holzsorten zu analysieren (hell, dunkel öko???) kommt mir so gut wie nie in den Sinn, denn in meiner Welt gibt es nur Billy, weiß furniert. Mit dem leben wir schon ziemlich lange in einer mehr oder weniger zufriedenstellenden Zweckgemeinschaft. Er hält, was er halten soll, dafür belasten wir ihn nicht mit Enzyklopädieproblemen. Ein simpler Deal.
Doch dann verbrachte ich einen Abend unter lauter liebenswerten Wahnsinnigen und ich hatte das Gefühl, diese Menschen nicht mehr zu kennen. Wer redet denn eine geschlagene Stunde über Regale??? Es gab Zeiten, da haben wir uns über die Bücher unterhalten, die wir in ebendiese Regale hineinstellen würden, aber hätten sicher keine Tischlerempfehlungen ausgetauscht…
Entweder war mein Budget mit dem Gesprächsthema nicht mitgewachsen oder aber ich ignorierte hier einen Trend, der sich im Freundes- und Bekanntenkreis durchgesetzt hatte, ohne dass ich dies wirklich mitbekam. Statt 5000 Euro für ein Regal auszugeben, würde ich das Geld immer und ausschließlich in Kinder, Reisen und Süßspeisen investieren, in beliebiger Reihenfolge. (Im besten Fall wäre es auf Reisen mit Kindern Süßspeisen verköstigen, sprich: mit den Kindern Torta della Nonna essen in Italien. Ganz simpel.)
Am Ende wurden Handyfotos von den Regalen herumgezeigt und obwohl ich es albern fand und kurz versucht war, Fotos von Kindern und Kater herumzuzeigen, konnte ich mich letztlich doch für das Thema begeistern. Diese Menschen liebten das gleiche wie ich, nämlich Literatur. Und sie wollten nichts anderes, als mit ihren geliebten Büchern auf besonders schöne Art und Weise zusammenzuleben. Daran ist nichts falsch oder verwerflich. Es sind bloß andere Prioritäten. Also nicke ich Billy kurz zu, gebe ihm einen aufmunternden Klaps auf die Seite und flüstere: „Du hältst noch eine Weile! Aber ich fahre dieses Jahr lieber wieder nach Italien. Da gibt es eine Konditorei am Lido di Venezia, zu der muss ich unbedingt noch einmal hin…“
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My Books! „The Shelf of Their Dreams„. A Column by Susanne Falk.
What had I gotten myself into? Was this a cult? A secret meeting of the Anonymous Carpenter Addicts? Torn between fascination and shock, I spent an evening among bibliophiles who had only one topic: the perfect bookshelf.
Anyone who owns many books but has no budget will inevitably end up at IKEA at some point. But as people get older, they sometimes come into money, and it seems many book lovers invest that in custom-made bookshelves perfectly tailored to their homes by carpenters. They then have conversations with other bibliophiles about topics like “rolling ladder or stairs?” Even sentences like “Have you thought about doors?” suddenly become an expression of utmost luxury.
Personally, I never think about doors, unless the toilet door is broken in the restaurant I’m in. Otherwise, doors play as little a role in my consciousness as freestanding ladders or those that can roll on rails. Analyzing types of wood (light, dark, eco???) rarely crosses my mind, because in my world, there is only Billy, white veneered. We’ve been living in a more or less satisfactory symbiotic relationship for quite some time. It holds what it’s supposed to hold, and we don’t burden it with encyclopedia problems. A simple deal.
But then I spent an evening among a bunch of loveable lunatics, and I felt like I didn’t know these people anymore. Who talks about shelves for a whole hour??? There were times when we discussed the books we would put on these shelves, but we certainly wouldn’t have exchanged carpenter recommendations…
Either my budget hadn’t grown with the conversation topic, or I was ignoring a trend that had taken hold among my friends and acquaintances without me really noticing. Instead of spending 5000 euros on a shelf, I would always and exclusively invest the money in children, travel, and sweets, in any order. (Ideally, it would be eating sweets with children while travelling, i.e., eating Torta della Nonna with the kids in Italy. Quite simple.)
In the end, mobile photos of the shelves were shown around, and although I found it silly and was briefly tempted to show photos of my children and cat, I ultimately got enthusiastic about the topic. These people loved the same thing I did, namely literature. And they wanted nothing more than to live with their beloved books in a particularly beautiful way. There’s nothing wrong or reprehensible about that. They are just different priorities. So, I give Billy a quick nod, a comforting pat on the side, and whisper: “You’ll hold up a while longer! But I’d rather go to Italy again this year. There’s a patisserie at Lido di Venezia that I absolutely must visit again…”