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Menschen im Museum: „Terra incognita“

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Kolumne von Susanne Falk

Jede Stadt hat einen Star unter den heimischen Museen. Paris hat den Louvre, Florenz die Uffizien und Wien ist ganz besonders stolz auf sein Kunsthistorisches Museum. So bekannt, so gut. Und dann gibt es da die Häuser, in die sich kaum einmal jemand verirrt, liebevoll zusammengetragene Sammlungen nutzloser Dinge, die sich in schwer zugänglichem Rahmen präsentieren. Es sind die Underdogs der Museenlandschaft und genau ihnen gehört mein museales Herz.

Das Schloss Schönbrunn ist Wiens beliebteste Sehenswürdigkeit. Hierher pilgern auf der Suche nach Maria Theresias Nachttopf (den es hier gar nicht zu sehen gibt, stattdessen kann man das Klo Kaiser Franz Josefs bewundern) jedes Jahr um die 3,8 Millionen Besucher. Und übersehen dabei doch allzu oft das wesentlich spannendere Museum gleich ums Eck: die Kaiserliche Wagenburg. Die gehört nämlich eigentlich gar nicht zum Schloss dazu sondern ist ein Teil der Sammlungen des Kunsthistorischen Museums und daher mit der normalen Jahreskarte des KHM zu besuchen. Und was findet sich hier? Kutschen. So weit das Auge reicht. Na gut, und Schlitten natürlich auch, halt einfach alles, womit man ein gekröntes Haupt so durch die Lande kutschieren konnte.

Im Winter ist es hier ziemlich kalt, man darf seinen Mantel also durchaus anbehalten, denn wirklich beheizbar ist die Wagenburg nicht. Dafür bietet sie Freunden des unnützen Wissens hervorragende Möglichkeiten, sich mal wieder den Kopf mit sinnlosen Details vollzustopfen, wobei man dann oft Jahrzehnte darauf wartet, sie endlich bei einem passenden Partygespräch wieder loszuwerden. Ich zum Beispiel freue mich schon jetzt auf die Gelegenheit, bei einem geselligen Beisammensein wie nebenbei zu erwähnen, dass nur gekrönte Häupter ihren letzten Weg in einer schwarzen Kutsche (Leichenwagen) antreten durften, alle anderen hohen Herrschaften mussten dasselbe in einer roten Kutsche tun. Was das Spanische Hofzeremoniell halt so verlangte. Oder wussten Sie, dass es einen Jagdwagen gibt, der aufgrund seines prägnanten Äußeren allen Ernstes „Jagdwurst“ genannt wurde? Ich finde das großartig! Und komplett sinnlos sich so etwas zu merken.

Nun ist die Wagenburg vielleicht kein allzu großer Geheimtipp und es verirren sich durchaus Leute hierher. Aber haben Sie gewusst, dass es in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schönbrunner Schlosspark auch ein Ziegelmuseum gibt? Es liegt im schönen Stadtteil Penzing und ich hege den Verdacht, dass es bis heute wahrscheinlich noch nie einen Besucher gesehen hat, denn die Öffnungszeiten sind so krude, dass selbst ich es noch nie hierher geschafft habe. Oder haben Sie jeden 1. und 3. Sonntag im Monat zwischen 10 und 12 Uhr Zeit? Na, dann mal auf in die Penzinger Straße Nr. 59! Allerdings können Sie das Unternehmen im Juli und August sowie an Feiertagen gleich wieder vergessen. Was die Betreiber jedoch nicht davon abhält, die Besucher dazu aufzufordern, doch gerne einen eigenen Ziegelstein mitzubringen. Ja, so einen mit dem man Häuser baut. Ich finde das absolut großartig! In welches Museum dürfen Sie schon einen gut ein Kilogramm schweren Gegenstand mitnehmen, der problemlos sämtliche Vitrinen zerschlagen würde? Ich schwöre, der nächste Ziegel, dessen ich habhaft werden kann, wandert mit mir dorthin. Ich will doch meine Sammlung unnützen Wissens erweitern und alte Ziegelsteine sind da geradezu ein Muss. Sicher, ich könnte auch in der Albertina etwas über Gerhard Richter lernen oder mich an den Klimt-Bildern im Belvedere erfreuen. Aber was können Gerhard Richter oder Gustav Klimt, das ein alter, römischer Ziegel nicht kann? Manchmal muss man neue Wege bestreiten und wenn diese Wege einen ins Wiener Ziegelmuseum führen, umso besser, denn hier findet sich doch die wahre Terra incognita der Museenliebhaber. Und: Nur wenn wir Neuland betreten, haben wir auch die Chance, etwas Neues über uns selbst zu lernen. Mein Selbst jedenfalls verlangt nach handgeschlagenen Mauerziegeln mit Prägung.

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