Penelopé Cruz und Javier Bardem in einem Geflecht aus familiären Geheimnissen. Von Barbara Hoppe.
Laura (Penelopé Cruz) lebt seit Jahren mit ihrem Mann Alejandro, einem Argentinier, in Buenos Aires. Nun reist sie alleine mit ihrer 16-jährigen Tochter Irene und dem kleinen Sohn Diego zur Hochzeit ihrer Schwester Ana in ihre Heimat Spanien. Dort sieht Laura nicht nur ihre Schwestern und ihren alten Vater wieder, sondern trifft auch auf ihre Jugendliebe Paco (Javier Bardem), der inzwischen ebenfalls verheiratet ist. Die Freude aller ist groß. Das rauschende Fest beginnt. Doch noch am Abend der Hochzeitsfeier verschwindet Irene spurlos. Kurze Zeit darauf geht eine Lösegeldforderung ein. Mit einem Schlag ist alles anders. Wie weggeblasen sind Lachen und Tanzen.
Doch statt uns einen konventionellen Krimi zu präsentieren, fokussiert Regisseur Asghar Farhadi auf die Beziehungen der Personen untereinander. Was passiert zwischenmenschlich in einer solchen Krisensituation? Während Laura völlig aufgelöst ist und keine Polizei will, beschwört ihr eilends angereister Mann Gott. Paco hingegen wird aktiv, versucht herauszufinden, was passiert ist, sehr zum Überdruss seiner Frau Bea. Auch Lauras Schwager Fernando ist nicht untätig. Er sucht Hilfe bei einem pensionierten Polizisten. Doch die Nachforschungen laufen ins Leere. Stattdessen kriechen Stück für Stück Antipathien, Neid, Missgunst und Verdächtigungen an die Oberfläche. Wer kann das Mädchen entführt haben? Und warum? Alejandros Unternehmen ist pleite. Und Lauras Familie besaß früher einmal viel Land. Aus der Not heraus kaufte Paco vor Jahren Laura einen Teil davon ab. Ist es familiäre Rache? Denn verkaufte Paco seinen Grund und Boden, könnte das Lösegeld bezahlt werden. Was hat die frühere Verbindung zwischen Laura und Paco mit dem Verschwinden Irenes zu tun? Warum bekommt auch Pacos Frau die Nachrichten von den Entführern? Schicht für Schicht dringt Farhadi in die Tiefen alter Schuld, vermeintlicher Geheimnisse und verdrängten Hasses vor. Zum Reißen angespannte Nerven lassen die Situation fast eskalieren, fordern das Äußerste ihrer Protagonisten.
Vieles bleibt hier in der Schwebe, wird nicht ausgesprochen und brodelt doch im Untergrund. Nach und nach schleicht sich das Misstrauen in die Familien. Verdächtigungen werden vorsichtig formuliert. Es ist ein ungemein spannendes Szenario, das Farhadi hier entwirft, in dem sich der Kriminalfall mit dem Psychodrama ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert, an dessen Ende die Familienidylle nur in Scherben liegen kann, was im Übrigen das Beste und Mutigste an diesem Film ist.
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Offenes Geheimnis (Spanien 2018)
seit 27. September 2018 im Kino
Regie: Asghar Farhadi
Darsteller: Penelopé Cruz, Javier Bardem, Ricardo Darín
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