Eine Rezension von Barbara Hoppe
„Ein weißer Schmetterling setzte sich auf ihren Griff und flatterte dann weiter in Richtung der Zuckerrohrfelder.“ Es sind solche Sätze, die Durian Sukegawas Texte so besonders machen. Kleinigkeiten bloß, die eine Stimmung wiedergeben, ohne aufzuhalten. Sätze voller Poesie und Melancholie. Es ist kaum zu glauben, was dieser japanische Autor, der Schauspieler, Punkmusiker, Fernseh- und Radiomoderator ist, der Philosophie studiert hat und der auch Gedichte schreibt, an sprachlicher Zartheit und Behutsamkeit beherrscht.
Innere und äußere Suche
Schon sein Debütroman „Kirschblüten und rote Bohnen“ war ein Meisterstück der leisen Töne. In „Die Insel der Freundschaft“ geht Durian Sukegawa noch einen Schritt weiter. Seine Figuren sind hier wie dort Menschen, die die Last einer schweren Vergangenheit tragen. Ryosuke Kikuchi hat seinen Job als Koch in Tokio aufgegeben und bricht auf zu einer einsam gelegenen Insel ganz im Süden des Landes. Mit an Bord der Fähre sind zwei ebenfalls Strauchelnde: die vermeintlich coole und gepiercte Kaoru und Tachikawa, der die Schule abgebrochen hat und nicht weiß, was er machen soll. Die drei werden begleitet von dem Bauleiter, der sie angeworben hat, auf Aburi mitzuhelfen, eine Wasserleitung zu bauen. Die Insel braucht dringend junge Leute und ihre Bewohner hoffen jedes Mal, dass die Aushilfskräfte bleiben und mit neuen Ideen das Leben und die Wirtschaft der abgelegenen Insel in Schwung bringen. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Misstrauen zwischen den Einheimischen und den Neuen. Doch während Kaoru und Tachikawa das Angebot aus der Not heraus angenommen haben, verfolgt Ryosuke noch ein anderes Ziel: Er sucht auf dem Eiland den Mann, von dem seine Mutter einst erzählte, der seinen Vater kannte und der Licht ins Dunkel von Ryosukes Vergangenheit bringen kann. Dass diese Suche gleichzeitig Ryosukes innere Suche nach der Bestimmung seines Lebens wird, verbindet Sukegawa ganz behutsam.
Die ultimative Freiheit
Er erzählt langsam, in kleinen Schritten. Tätigkeiten des Alltags werden verrichtet, Streitigkeiten brechen aus, werden beigelegt, es wird gekocht, gegessen und getrunken, die Ziegen gemolken. Ganz nebenbei entsteht aus den Handlungen erst die Hoffnung, dann der Plan für einen Neuanfang. Für Ryosuke, Kaoru und Tachikawa, für Hashi, den Mann, den Ryosuke schließlich findet und der sein Freund wird. Die Einsamkeit der Insel wird zu einem Band der Freundschaft und führt zu einer Suche, die über das Irdische hinausgeht, die aus innerer Isolation zur Freiheit führt. Eine Freiheit freilich, die in ihrer ganzen Tragweite noch mehr Einsamkeit als absolute Entsagung und damit Unabhängigkeit bedeutet.
„Die Insel der Freundschaft“ ist mehr als eine Geschichte über Freundschaft. Es ist ein bewegendes und dennoch Mut machendes Buch, seine Bestimmung zu finden und ihr zu folgen.
Durian Sukegawa
Die Insel der Freundschaft
DuMont Buchverlag, Köln 2017
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Coverabbildung © DuMont Buchverlag
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