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Raffael lehrt in Wien

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Raffael lehrt in WienAn der Wiener Albertina findet derzeit eine Raffael-Retrospektive besonderer Art statt. Man kann sie als Studien-Ausstellung seiner Zeichnungen betrachten, doch einige Hauptwerke unter den Gemälden sind ebenfalls zu sehen. Eine Leistung muss der Besucher jedoch selbst erbringen. Von Stephan Reimertz

Mit 150 Gemälden und Zeichnungen widmet die Wiener Albertina einem der großen Meister des Dreigestirns der ersten Generation der italienischen Renaissance derzeit eine aufregende und ausgefallene Retrospektive. Neben Leonardo und Michaelangelo ist der jung verstorbene Raffael (1483 – 1520) einer der Meister, an dem sich die nachfolgende Generation der Pontormo, Andrea del Sarto, Angolo Bronzino, Rosso Fiorentino usw. die Zähne ausbeißen sollte, um zu ganz neuen formalen Konzepten zu gelangen. Tatsächlichen waren die großen Drei an mancher Stelle zu überbieten. Aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängen konnte sie indes bis heute niemand.

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Madonna mit der Blauen Diadem, 1511
Musée du Louvre, Paris: © Dist. RMN-Grand Palais / Martine Beck-Coppola

Mit einzelnen Werken und Ausschnitten besitzen Leonardo, Michelangelo und Raffael, nicht anders als ein Albrecht Dürer, eine überraschende Präsenz im privaten Raum, gerade auch in der proletarischen Sphäre. Die Begegnung von Gott und Adam aus der Sixtinischen Kapelle ist in den Wohnungen der Unterschicht in Italien und Deutschland ebenso präsent wie Dürers betende Hände oder die beiden Engel aus der Sixtinischen Madonna des Raffael. Leonardos Gioconda indes genießt in bildungsfernen Schichten eine heidnische Verehrung, die geradezu Unbehagen einflößt. Die Leistung, die jeder Besucher auch der außergewöhnlichen Raffael-Retrospektive in Wien erbringen muss, ist, sich aus der Überrezeption zu befreien und sich zu suggerieren, er sehe diese Gemälde und Zeichnungen zum ersten Mal.

Historisch-technischer Lehrgang der Kunstgeschicht

Die Albertina tut alles, um ihm diese Leistung des Sehens zu erleichtern und den Besuch zu einem grundlegenden Kolleg der Kunstgeschichte zu gestalten. Die graphische Sammlung geht von ihren eigenen bedeutenden Beständen aus und ergänzt sie um Leihgaben entscheidender Zeichnungen aus Museen wie den Uffizien, der Sammlung Elizabeths II., dem British Museum, dem Louvre und den Vatikanischen Museen. Überraschend zahlreich sind auch die Blätter, die das Ashmolean Museum in Oxford zur Verfügung stellte. Wir haben es mit einer monographischen Retrospektive zu tun, die Gemälde und Zeichnungen historisch und thematisch gruppiert und die einzelnen Arbeitsschritte und –stufen unterscheidet: von der Ideenskizze und der Detailstudie bis hin zu Kompositionsstudien und schließlich dem vollendeten Gemälde.

Raffael Selbstporträt, 1506 © Galleria degli Uffizi, Florenz, Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi
Raffael
Selbstporträt, 1506
© Galleria degli Uffizi, Florenz, Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

In rund 130 Zeichnungen und achtzehn Gemälden soll deutlich werden, wie Raffael arbeitete. Minutiös und akribisch wird jedes Werk vorbereitet. Stets ist der Künstler auf der Suche nach der Balance zwischen Natur und Idealität; das macht ihn bis heute zum meistrezipierten Künstler überhaupt. Gerade im neunzehnten Jahrhundert war sein Einfluss überwältigend, besonders in Deutschland, wo etwa der preußische König Friedrich Wilhelm IV. in seiner Orangerie in Potsdam einen ganzen Saal mit Raffael-Kopien anlegen ließ. Die Ausstellung in Wien passiert die Stationen Umbrien, Florenz und Rom und lädt zu einem Lehrgang ein, der uns den Weg bahnt über die Bilderfindung und –Entwicklung des großen Künstlers bis hin zu Vollendung von Hauptwerken wie der Madonna mit dem blauen Diadem (1511) aus dem Louvre, dem Porträt des Bindo Altiviti (ca. 1514 – 1515) aus der National Gallery in Washington oder dem Selbstporträt (1506) aus den Uffizien. An einem höchsten Beispiel der Kunstgeschichte vollziehen wir nach, wie ein Künstler arbeitete.

 

Raffael
Ausstellung bis zum 7. Januar 2018
Katalog zur Ausstellung

Albertina
Albertinaplatz 1
A-1010 Wien

Öffnungszeiten:
täglich von 10 bis 18 Uhr
Mittwoch und Freitag: 10.00 bis 21.00 Uhr

12, 90 Euro

 

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