Das Landestheater vereint Schauspiel, Ballett und Oper zu einem bunten Abend in der Felsenreitschule.
Von Stephan Reimertz.
Das Salzburger Landestheater knüpft in den neuen »Dionysien« an die großen griechischen Theaterfeste an, bei denen jeweils drei Tragödien und eine Komödie aufgeführt wurden. Bei der so genannten Prometheia verband man eine Trilogie mit einem Satyrspiel. In der Salzburger Felsenreitschule wird das Konzept geschickt abgewandelt. Ein Theaterstück, modernes Tanztheater und Musiktheater sollen sich zu einem Gesamtkunstwerk verbinden. Wenn auch der komödiantische Kehraus misslang, konnte ein interessanter Ansatz betrachtet werden.
Theater: Der gefesselte Prometheus des Aischylos
Christoph Wieschke bewältigte eine doppelte Artistik und deklamierte von der Höhe des als graue Wand stilisierten Felsens hinab eine der ältesten Partien des abendländischen Sprechtheaters. Sein Gefesselter Prometheus des Aischylos, Licht- und Feuerbringer der Menschen, Konkurrent des Zeus und Herausforderer der Götter, schwebte mit gefesselten Armen einige Meter über dem Boden der Salzburger Felsenreitschule und war nicht allein Prometheus, sondern zugleich Jesus und Florestan. Georg Clementi als Hephaistos und Nikola Rudle als Io brachten komödiantische Qualitäten in die Tragödie. Der Intendant des Landestheaters, Carl Philip von Maldeghem, kam als Regisseur ins Spiel und inszenierte den Klassiker des Welttheaters in einer abstrahierten Form. Schon hier wurde der Anspruch klar: Die Felsenreitschule soll zum Ort werden, der die Idee des barocken mit dem des griechischen Gesamtkunstwerk vereint.
Ballett: Medea – Der Fall M. nach Euripides
Als Premierengäste dieses besonderen Abends in Salzburg hatten wir die Ehre, Márcia Jacqueline willkommen heißen zu dürfen, Primeira bailarina do Theatro Municipal do Rio de Janeiro. Sie tanzte die »Vorgeladene«, wie Choreograph Reginaldo Oliveira die Protagonistin in seiner Version der Medea des Euripides nennt. Dreieinhalb Jahre nach der Uraufführung in Karlsruhe durfte das Salzburger Publikum dieses erzählerische Tanztheater sehen, das mit einer Art Gerichtsszene beginnt und von der Spannung aus neoklassischem Ballett und erzählten Szenen lebt. Die Herausforderung besteht darin, das krude, ursprünglich archaische Motiv der Kindstötung aus Rache am untreuen Partner einem modernen Publikum zu vermitteln. Oliveiras halb sinnbildliches, halb narratives Tanzstück überzeugte sowohl in der psychologischen Konkretion als auch in der symbolischen Repräsentanz.
Oper: Oedipus Rex von Igor Strawinsky
Der Klassiker der neoklassizistischen Oper, 1927 in Paris uraufgeführt, hält die Balance zwischen Oper und Oratorium. Dennis Russel Davies dirigierte das Mozarteumorchester. Carl Philip von Maldeghem und Reginaldo Olioveira wirkten als Regisseur und Choreograph zusammen und schufen ein Gesamtkunstwerk im Gesamtkunstwerk. Im Wesentlichen blieben sie innerhalb der klassizistischen Tradition, in der dieses exzentrische Werk von Strawinsky aufgeführt wird. Jean Cocteau hatte sein Opern-Oratorium nach Sophokles ins Lateinische übersetzen lassen, was ihm einen rituellen Charakter verleiht und zugleich eine interessante Verfremdung des griechischen Stoffes erzeugt. Natürlich war dieser Teil der interessanteste des Abends. Böse Zungen sagten, man hätte sich darauf beschränken sollen.
Ein interessanter Ansatz
Im Grunde ist es eine gute Idee, an einem Abend ein kurzes Theaterstück, ein Ballett und eine Oper aufzuführen, besonders, wenn sie so gut aufeinander abgestimmt sind wie bei den »Dionysien« in Salzburg. Entscheidender Mitspieler ist die Fürsterzbischöfliche Felsenreitschule selbst, ein Ort des Welttheaters, der schon viele legendäre Aufführungen erlebt hat. Die große Barockbühne fordert die Antike wie die Moderne heraus. Das als Satyrspiel und Kehraus geplante Kabarett am Ende passte in keiner Weise und wirkte, insbesondere unmittelbar nach Strawinskys Oedipus Rex, wie die Faust aufs Auge. Ein als Kölner Karnevalist posierender Schauspieler lenkte in Disko-Szenen im Stil der achtziger Jahre über. Von diesem schweren Fehlgriff abgesehen, stellt die neue Salzburger Produktion indes einen interessanten Versuch dar, das Gesamtkunstwerk neu zu definieren.
Dionysien
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Salzburger Landestheater
Schwarzstraße 22
5020 Salzburg
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