Rezension von Barbara Hoppe.
Eigentlich hat Enrico Rizzi, Inselpolizist auf Capri, den schönsten Arbeitsplatz der Welt. Denn wenn er nicht gerade mit kleineren Delikten zu tun hat oder dafür sorgen muss, dass Signora Parisi ihre Ferienwohnung nicht schwarz bauen lässt, arbeitet er im Obst- und Gemüsegarten seines Vaters zwischen sonnenwarmen Früchten und „jedes Mal, wenn Rizzi aufs Wasser schaute, hatte sich der Blauton im veränderten Tageslicht verändert“.
Doch mitten im August treibt plötzlich ein Toter in einem Ruderboot vor der Punta Carena, am südlichsten Zipfel der Insel. „Es war eine Badebucht mit bequemen Zugang zum Wasser, Bootsverleih und Felsen, auf denen man sitzen und sich sonnen konnte.“ Der Ermordete ist Jack Milani, junger Spross einer reichen Unternehmer-Familie aus dem Piemont und Student der Ozeanologie. Er und seine Freundin Sofia Polito hatten gerade noch ein Praktikum im Istituto di biologica marina Ischia gemacht. Nun ist der eine tot und die andere verschwunden.
Enrico Rizzi muss sich in seine erste Mordermittlung stürzen, die ihn nicht nur nach Ischia führt, sondern auch nach Neapel, wo ihn bei der Fahrt durch die Bucht die „Palazzi des Vomero-Viertels“ begrüßen, „prächtige Gebäude mit streng gegliederten Fassaden, teilweise in leuchtenden Farben“, während sich auf der anderen Seite der Vesuv mit seinen beiden Buckeln erhebt.
Doch mit der Mordkommission in Neapel läuft die Zusammenarbeit holprig. Dort zeigt man wenig Interesse an dem Fall. Warum dauern die Laboruntersuchungen so lange? Warum wird das Bild der Vermissten Sofia Polito erst vier Tage nach dem Mord an die Presse gegeben? Sein Vorgesetzter, Ispettore Lombardi, hingegen möchte wieder Ruhe und Frieden auf der Insel und schätzt es gar nicht, dass sein junger Mitarbeiter ehrgeizig weiter ermittelt, statt die Kollegen aus Neapel machen zu lassen. Gemeinsam mit seiner undurchsichtigen Kollegin Antonia Cirillo lässt Enrico nicht locker und hat den richtigen Riecher. Dass das kleine Capreser Team gegenüber den arroganten Kollegen aus Neapel schließlich die Nase vorn hat, ist da nur logisch.
Luca Venturas Capri-Krimi ist der Auftakt einer stimmungsvollen Reihe, die alles bereit hält, was das süße Leben Italiens zu bieten hat: wunderschöne Landschaft, eine italienische Patchworkfamilie, einen Hauch von südländischem Machismo, viel Pasta mit Tomaten, eine heile Sonnenwelt zwischen den Gassen Neapels und den Buchten Capris mit den Schattenseiten des modernen Lebens, in dem jeder sein Päckchen zu tragen hat und nicht zuletzt einem Mord, der bis in die Tiefen der übersäuerten Ozeane reicht.
Luca Ventura
Mitten im August
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Der Artikel erschien ebenfalls als Literarisches Reiserätsel in Das WOCHENENDE! (Frankfurter Neue Presse, Frankfurter Runschau und FAZ Rhein Main Zeitung)
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