Mitleid mit Politikern?
Nein, beliebt sind sie nicht, unsere Politiker. Wenn man sich jedoch in ihre Lange versetzt und sich vorstellt, wie sehr die Volksvertreter der Krake Journalismus ausgesetzt sind, könnte man schon wieder Mitleid mit ihnen bekommen. Der Film „Die Vierte Gewalt“ von Brigitte Maria Bertele analysiert die Gnaden- und Mitleidlosigkeit der Journaille in einem packenden Drama.
Wie soll eine parlamentarische Demokratie funktionieren, wenn sich verschiedene lautstarke Gruppen als gewählte Volksvertreter gerieren, ohne es zu sein? Unter diesen selbsternannten Mandatsträgern tun sich zwei Gruppen besonders hervor: Die Vorstände der DAX-Unternehmen, welche der Ansicht sind, unser Land sei nichts als ein Spielfeld für ihre unternehmerischen Interessen, und die von ihnen verachteten Politiker hätten vor allem eine Schuldigkeit: Ideale Verhältnisse für ihre Unternehmen zu schaffen. Doch während sich diese Gruppe von Leuten zumindest durch gewisse fachliche Qualifikationen auszeichnet, denn in einen DAX-Vorstand kann man auch nicht einfach hineinspazieren, ist die zweite Gruppe noch sehr viel problematischer, weil sich bei ihr Anmaßung und Dilettantismus nicht selten zu einem fatalen Cocktail verbinden: Früher nannte man sie Journalisten, heute Medienvertreter; Karl Kraus prägte für sie den treffende Bezeichnung Schmock.
Um zu sehen, wie Politiker erhoben und gestürzt werden von Leuten, die ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen, dabei jedoch vorgeben, sie handelten im Interesse der Allgemeinheit und der Pressefreiheit, braucht man nicht die Aktivitäten der Murdoch-Konzerns in England und den USA zu betachten. Es genügt, vor der eigenen Haustüre zu kehren und sich vor Augen zu führen, wie die öffentlich-rechtlichen sowie die Konzern-Medien der EU agieren. „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“, schrieb der Publizist Paul Sethe. Am unteren Ende, in der Sphäre der Tagespresse, herrschen Opportunismus, Narzissmus, Grandiosität und der unbedingte Wille, allen, die etwas können, haben oder bedeuten, einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen und auf ihre Kosten zu profitieren. In dem subtil und mitreißend inszenierten Presse-Krimi Die Vierte Gewalt analysiert Regisseurin Brigitte Maria Bertele nach einem Drehbuch von Jochen Bitzer die jeder Ehre und Demokratie spottenden Verhältnisse.
Der Schauspieler Benno Fürmann produziert gekonnt den angewiderten Nöl-Jargon dieser Kreise. Seine Gegenspielerin als Jungpolitikern Katharina Pflüger ist Franziska Weisz; mit minimalem aufwand erzielt diese präzise und subtil agierende Schauspielerin große Wirkung. Die Jung-Politikerin versucht ihrerseits, die Presse für ihre Interessen einzuspannen, so ist es gar nicht so klar, wer hier wen benutzt. Die schöne Victoria Trauttmansdorff spielt eine Gesundheitsministerin, die von der Presse in den Tod getrieben wird. Ulrich Matthes gibt den lässig-zynischen Herausgeber. All diese Typen kennen wir aus dem öffentlichen Leben unseres vermedialisierten Landes. Das exzellent agierende Team würde es verdienen, wenn dieser deutsche Spielfilm von 2015 zum Klassiker avancierte. Niemand ist ganz unschuldig, und niemand gänzlich unsympathisch, jeden dieser gejagten Jäger kann man irgendwo auch verstehen; darin beweist sich die Kunst von Regie und Darstellern dieses zeitkritischen Streifens.
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