Eine Rezension von Barbara Hoppe

Kennt man also Perry, wundert es nicht, dass es einem gleich auf der ersten Innenseite schrill-pink entgegenschreit. Eine augenzwinkernde Randnotiz ist es allerdings, dass die Übersetzerin eines Buches über Kunst, die vor allem zum Anschauen ist, ausgerechnet Blind – Sofia Blind – heißt. Dies ist also der Einstieg in ein Nachhilfebuch über zeitgenössische Kunst, darüber, was sie überhaupt ist, wer bestimmt, was man dazuzählt, ob es noch Grenzen gibt und wie man überhaupt zeitgenössischer Künstler wird.
Seien wir ehrlich: Es sind Themen, die den durchschnittlichen Bürger, der durchaus gern einmal ins Museum geht und auch sonst recht kunst- und kulturbeflissen ist, ein leichtes Unbehagen verursachen. „Hoffentlich fragt mich jetzt keiner, wie ich das Bild finde“ oder „Ist das Kunst oder kann das weg?“ sind Gedanken, die wir sicher häufiger haben als wir zugeben möchten. Kopfschüttelnd hören wir Nachrichten über sensationelle Zuschläge bei zeitgenössischer Kunst in den Auktionshäusern, verständnislos schauen wir auf Kunstaktionen, bei denen sich die Künstler selbst verletzen oder fragen uns bei drei Strichen, warum dies nun Kunst ist, und ob wir das nicht selbst auch gekonnt hätten.
Wir können es eben nicht. Warum, erklärt uns Grayson Perry. Ironisch, witzig, ein bisschen bissig, aber immer liebevoll. Warum die Demokratie einen schlechten Kunstgeschmack hat und warum in einer Zeit, in der alles möglich und so ziemlich alles erlaubt ist, trotzdem nicht alles Kunst ist. Immer wieder zitiert er das Urinal Marcel Duchamps, der ein ganz normales Pissoir in eine Galerie trug, es auf einen Sockel stellte und zu Kunst erklärte. Eine Form von Kunstbegriff, der Perry durchaus kritisch gegenübersteht. Aber woran soll man sich orientieren? Wie fachkundig entscheiden, ob man Kunst vor sich hat?
Ganz einfach, so Perry. Mit dem System der „Beating the Bounds“. Früher, als es noch keine geographischen Karten gab, schritten die Alten gemeinsam mit den Jungen die Gemeindegrenzen im Beisein eines Priesters ab. Immer, wenn sie einen wichtigen Grenzstein passierten, wurden die jungen Gemeindemitglieder geschlagen – als emotionale Erinnerung sozusagen. Der Grenzpunkt war auf ewig verbunden mit Schmerz. Mit kleinen Gerten schlägt uns Grayson Perry diverse Methoden vor, Kunst zu erkennen: Wo befindet sich das Objekt (in einer Galerie oder einem anderen Kunstkontext), ist es nur ein langweiliges Plagiat oder aber man stellt die Frage, ob das Exponat überhaupt von einem Künstler gemacht ist. Perry schlägt diverse amüsante, aber kluge Grenzpfosten ein, die als Leitfaden durchaus dienlich sind. Dabei sind die Grenzen weit gesteckt und er fragt zurecht: Kann uns überhaupt noch etwas schocken?
Grayson Perry gelingt mit „So geht Kunst“ ein kenntnisreicher, sehr differenzierter und vergnüglicher Streifzug durch die Welt der zeitgenössischen Kunst, den er mit eigenen Zeichnungen unterhaltsam illustriert.

So geht Kunst. Die heutige Kunstwelt verstehen und vielleicht lieben lernen.
Prestel Verlag, München 2017
So geht Kunst!: Die heutige Kunstwelt verstehen und vielleicht lieben lernen bei amazon
Coverabbildung und Bilder © Prestel Verlag
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken





Danke für diese tollen Tipp. Grayson Perry habe ich zufällig gerade als Künstler entdeckt und bin begeistert, dass es jetzt ein Buch von ihm gibt. Dazu noch zu so einem interessanten Thema. Wird sofort gekauft. Herzliche Grüße