Von Barbara Hoppe.
Es ist ja schon eine liebgewonnene Tradition: Jedes Jahr vor Weihnachten bringt der DuMont Buchverlag einen stimmungsvollen Weihnachtskrimi heraus, nostalgisch in der Aufmachung und herrlich gemütlich bei der Lektüre. Ob „Die Morde von Mapleton“ von Brian Flynn, „Mord im alten Pfarrhaus“ von Jill McGown oder „Ein Mord zu Weihnachten“ – sie alle versprühen den Charme des guten alten klassischen englischen Kriminalromans. Ganz gleich, ob sie von 1949 sind oder aus den achtziger Jahren. Mit „Mord in Dingley Dell“ wartet nun ein besondere Leckerbissen auf seine Leser. Autor ist kein geringerer als Reginald Hild, einer der größten seines Genres. 1972 entstand sein Krimi, der federleicht mit den Motiven des klassischen Kriminalromans jongliert, daraus aber ein durchaus zeitgemäßes und ziemlich dunkelrotes „Red Christmas“ macht, so der Originaltitel seines Romans.
Es beginnt wie viele klassische Kriminalromane: Ein spleeniger Landgutbesitzer irgendwo in einem englischen Middle-of-Nowhere lädt eine illustre Schar an Gästen zu einem üppigen Weihnachtsfest. In diesem Fall sind es sogar zwei Herren: Jack Wardle und Oscar Boswell wollen ein Weihnachtsfest feiern wie es Charles Dickens nicht hätte besser beschreiben können. Authentisch bis ins Detail sollen sich die Gäste wie im 19. Jahrhundert fühlen, ohne jedoch auf den dezenten Komfort des 20. verzichten zu müssen. Als dann auch noch pünktlich zum Abend der Schneefall einsetzt (der dann natürlich das Haus von der Außenwelt abschneidet), könnte es dank prasselndem Kaminfeuer und Weihnachtsband stimmungsvoller kaum sein. Doch schon früh streut Reginald Hill Sand ins Getriebe. Schon bei der Ankunft verhalten sich manche Gäste eigenartig. Und als die junge und forsche Arabella Arden bereits kurz nach der Ankunft über eine Leiche stolpert ist klar, dass mit diesem Weihnachtsfest irgendwas nicht stimmt.
Reginald Hill gehört zu den unbestrittenen Meistern des Kriminalromans. Seine Reihe um die Polizisten Dalziel und Pascoe sind nicht nur spannend, sondern auch enorm intelligent und mit einer guten Portion Humor garniert. Mit „Mord in Dingley Dell“ beweist Hill, dass er zusätzlich auch die Ironie meisterhaft beherrscht. Was er hier als Szenario heraufbeschwört sucht seinesgleichen: Alles wird ordentlich durch den Weihnachtspunsch gezogen: Die Frauen emanzipieren sich, die Gründung der Europäischen Wirtschaftsunion liegt 15 Jahre zurück (und hat Skeptiker wie Befürworter) und der Kalte Krieg erlebt seine Blütezeit. Aus diesen Zutaten kocht Reginald Hill ein Weihnachtsmenü, das reich mit Spannung, Slapstick, Frauen, die es den Männer zeigen und einem durchgeknallten Mörder, der einem Quentin Tarantino viel Freude gemacht hätte, gewürzt ist. Mehr zu verraten hieße, die Pointe vorwegzunehmen. Aber eines ist garantiert: Wenn Reginald Hill kocht, heißt das Gericht Mordsgaudi, und es schmeckt hervorragend.
Reginald Hill
Mord in Dingley Dell
DuMont Buchverlag, Köln 2020
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