Kolumne von Susanne Falk.
Ein Verlag erfindet sich neu. Jedenfalls ein bisschen. Jetzt, wo Suhrkamp Frau Unseld-Berkéwicz endlich losgeworden ist (Herzlichen Glückwunsch dazu!), steht einem Neubeginn ja nichts mehr im Wege. Wir sind gespannt, was da auf uns zukommt.
Wenn irgendein Verlagsprogramm vor deutscher Literaturgeschichte trieft, dann ist es wohl das von Suhrkamp. Entsprechend schwierig wird es, einen Neuanfang zu wagen, wenn man von der eigenen Historie geradezu umzingelt scheint. Wie soll sich da ein Verlag, wie soll sich da ein Verleger frei entfalten können? Dass Jonathan Landgrebe diesen Schritt mit neuem/altem Eigentümer wagt, ist löblich und längst überfällig, denn: Im Grunde hätte es die Ära Unseld-Berkéwicz niemals geben dürfen.
Seitdem der alte Unseld den eigenen Sohn noch zu Lebzeiten höchst unfein aus dem Verlag gekickt hat, rang man im Grunde genommen um eine Neuausrichtung des Hauses zwecks Zukunftsorientierung. Von Geschichte allein kann man nämlich nur bedingt leben, weil die Backlist naturgegeben irgendwann schrumpft, wenn Urheberrechte frei werden und weil die Schulen heute längst nicht mehr so viel Suhrkampbücher bestellen wie anno dazumal. Man ist also gezwungen, sich von der Vergangenheit ab- und stattdessen der Zukunft zuzuwenden. Die liegt in einer anderen Ausrichtung des Programms und so etwas kostet Geld. Neue Autorinnen und Autoren anwerben, internationale Rechte ersteigern, neue Leserschichten ansprechen – das alles gibt es nicht umsonst. So der neue Eigentümer Dirk Möhrle, der zuvor schon 39 Prozent an Suhrkamp hielt, dem Verleger Landgrebe freie Hand in der Programmgestaltung lässt, hat das Stammhaus der deutschen Literatur der Nachkriegszeit endlich eine Chance, nach diversen Rechtsstreitigkeiten im 21. Jahrhundert anzukommen.
Nun muss man nicht direkt von Bertold Brecht, dessen Urheberrechte 2026 frei werden, zu Young Adult oder Dark Fantasy übergehen, aber sich auf seine etwas jüngere Autorengeneration zu verlassen und diese zu fördern, ist vielleicht ein Anfang. Ohne dabei freilich die alten Häsinnen und Hasen aus den Augen zu verlieren. Sprich: Viel Julia Jost und trotzdem noch genug Isabel Allende ins Programm packen!
Wir wünschen dem neuen/alten Suhrkamp-Team viel Erfolg. Die Zeiten in der Buchbranche sind wahrlich keine leichten, aber ohne Suhrkamp würde dem deutschen Verlagswesen schlicht die Kompassnadel fehlen. Und wie sollte man da noch seinen Weg durchs Bücherdickicht finden?
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My Books! „Time for Something New„
Column by Susanne Falk
A publishing house reinvents itself. Well, at least a little. Now that Suhrkamp has finally gotten rid of Mrs. Unseld-Berkéwicz (Congratulations on that!), nothing stands in the way of a new beginning. We are eager to see what lies ahead.
If any publishing program is steeped in German literary history, it’s surely that of Suhrkamp. This makes it particularly challenging to attempt a fresh start when one seems to be surrounded by one’s own history. How can a publisher or a publishing house unfold freely in such a situation? The fact that Jonathan Landgrebe is taking this step with a new/old owner is commendable and long overdue because: In essence, the Unseld-Berkéwicz era should never have happened.
Since the time the old Unseld rather ungraciously kicked his own son out of the publishing house while still alive, the house has been wrestling for a realignment in terms of future orientation. After all, you can only live off history to a limited extent, as the backlist naturally shrinks over time when copyrights expire and because schools don’t order as many Suhrkamp books today as they once did. So, the need arises to turn away from the past and instead focus on the future. This involves a shift in program direction, and such a shift costs money. Recruiting new authors, acquiring international rights, reaching new readerships – none of this comes cheap. With the new owner Dirk Möhrle, who already held 39 percent of Suhrkamp, giving publisher Landgrebe free rein in program design, the postwar German literature’s flagship publishing house finally has a chance to arrive in the 21st century after various legal disputes.
Now, there’s no need to jump straight from Bertolt Brecht, whose copyrights expire in 2026, to Young Adult or Dark Fantasy, but perhaps relying on and promoting a slightly younger generation of authors could be a start. Without, of course, losing sight of the old stagers. In other words: pack in lots of Julia Jost while still keeping enough Isabel Allende in the program!
We wish the new/old Suhrkamp team much success. Times in the book industry are truly challenging, but without Suhrkamp, the German publishing world would simply lack its compass needle. And how would one find their way through the thicket of books then?