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„Das Loch“ von Hiroko Oyamada: Ein minimalistisches Meisterwerk der modernen japanischen Literatur

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Literatur

In dem Roman von Hiroko Oyamada schleicht sich das Verstörende in unsere Welt. Rezension von Barbara Hoppe.

Die japanische Autorin Hiroko Oyamada, 1983 in Hiroshima geboren, ist in ihrer Heimat ein literarischer Shootingstar. Bereits mit ihrem Debütroman Kōjō (Die Fabrik) aus dem Jahr 2013 überzeugte sie die Jurys landauf und landab, die dann auch nicht zögerten, sie mit dem Shinchō Prize for New Writers und dem Oda Sakunosuke Prize auszuzeichnen. Ein Jahr später folgte der kurze Roman Ana, der nun erstmals auf deutsch erscheint. Zehn Jahre mussten vergehen, bevor ein deutscher Verlag dieses minimalistische Kleinod japanischer Literatur entdeckte und Das Loch dem deutschen Lesepublikum endlich präsentiert. Ein Roman, für den die Autorin den Akutagawa Prize, den wichtigsten Literaturpreis Japans, erhielt.

Unerträgliche Hitze und lähmende Langeweile

Asa-chan zieht mit ihrem Mann aus der Stadt in einen kleinen Ort. Es ist heiß in diesem Sommer, unerträglich heiß, Zikaden lärmen, nur am Tag des Umzugs regnet es von morgens bis abends. Während ihr Mann seiner neuen Arbeit nachkommt, richtet sich Asa-chan im Nichtstun ein. Von einem unbefriedigenden Job in der Stadt rutscht die junge Frau in eine noch unbefriedigendere Langeweile. Ihr neues Heim gehört den Schwiegereltern, die gleich nebenan wohnen. Doch Asa-chan bleibt für sich. Die japanische Gesellschaft ist geprägt von Höflichkeit und Distanz. Man ist arbeitsam und pflichtbewusst. Während Asa-chan nach einer Arbeitsstelle sucht, hält sie das Haus in Ordnung und beobachtet den Großvater der Familie, der geistig abwesend täglich den Garten sprengt. Die Leere in den Straßen des kleinen Orts führt zur Leere im eigenen Dasein.

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Cover: rowolt Verlag

Wachsendes Unbehagen

Als Asa-chan bei einem Besorgungsgang unvermittelt in ein Loch fällt, hält das Unbehagen Einzug in das Leben der jungen Frau. Die helfende Hand, sie aus dem misslichen Lage zu befreien, gehört der Nachbarin, die mit Sonnenschirm und Spitzenrock wie aus der Zeit gefallen scheint. Und auch der Leser fühlt sich zunehmend unwohl ob des unwirklichen Lebens voller Gedächtnislücken und Unbestimmtheiten von Asa-chan. Hiroko Oyamada bewegt sich sprachlich schnörkellos in einem unheimlichen Grenzbereich zwischen Wahrnehmung und Realität. Wer verliert hier den Verstand? Asa-chan, deren rätselhaften Beobachtungen sie mit niemandem teilt oder der Leser, der durch Oyamadas literarischer Kunstfertigkeit in eine beunruhigende Irre geführt wird?

Hiroko Oyamada
Das Loch
a.d. Japanischen von Nora Bierich
rowohlt Verlag, Hamburg 2024
bei amazon
bei Thalia

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

„The Hole“ by Hiroko Oyamada: A minimalist masterpiece of modern Japanese literature

The Japanese author Hiroko Oyamada, born in Hiroshima in 1983, is a literary shooting star in her homeland. With her debut novel, Kōjō (The Factory), published in 2013, she impressed juries across the country, who did not hesitate to award her the Shinchō Prize for New Writers and the Oda Sakunosuke Prize. A year later, her short novel Ana was published, which is now appearing in German for the first time. It took ten years for a German publisher to discover this minimalist gem of Japanese literature and finally present The Hole to the German reading public—a novel for which the author received the Akutagawa Prize, Japan’s most prestigious literary award.

What’s it about? Asa-chan moves with her husband from the city to a small town. It’s unbearably hot this summer, cicadas are noisy, and only on the day of the move does it rain from morning to evening. While her husband attends to his new job, Asa-chan settles into doing nothing. From an unsatisfying job in the city, the young woman slips into even more unsatisfying boredom. Their new home belongs to her in-laws, who live right next door. Yet Asa-chan keeps to herself. Japanese society is characterized by politeness and distance. People are hardworking and conscientious. While Asa-chan searches for a job, she keeps the house in order and observes the family’s grandfather, who waters the garden daily in a state of mental absence. The emptiness in the streets of the small town leads to emptiness in her own existence.

When Asa-chan unexpectedly falls into a hole during an errand, unease enters the young woman’s life. The helping hand that rescues her from the predicament belongs to a neighbor who, with her parasol and lace skirt, seems to have stepped out of another time. And the reader increasingly feels uneasy, even though, upon closer inspection, nothing out of the ordinary happens. Hiroko Oyamada moves seamlessly in a haunting borderland between perception and reality. Who is losing their mind here? Asa-chan, whose enigmatic observations she shares with no one and which no one else seems to make, or the reader, who becomes increasingly disturbed by Oyamada’s literary craftsmanship?

Ein Gedanke zu „„Das Loch“ von Hiroko Oyamada: Ein minimalistisches Meisterwerk der modernen japanischen Literatur“

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