Mit seinen „Wet Plates“ entdeckte Christian Klant eine 150 Jahre alte Fotografietechnik neuFragt man Christian Klant, in welchem Genre er als Fotograf tätig ist, antwortet er „Menschen und Geschichten“.
Feuilletonscout: Was fasziniert dich an Menschen und an Geschichten? Oder heißt es auch „Menschen und ihre Geschichten?“
Christian Klant: Zunächst einmal sind es Menschen, die mich interessieren. Und Menschen haben häufig etwas zu erzählen. Das können große und kleine Geschichten sein, oder aber auch der Text zwischen den Zeilen, die leisen Töne. Das ist oft besonders interessant.
Wenn ich einen Menschen portraitiere, dann ist es mir wichtig, dass das Bild, welches dabei entsteht eine Aussage mitgibt. Nur ein Gesicht mit freundlichem oder ernstem Ausdruck reicht mir nicht aus. Der wohl wichtigste Teil meiner Arbeit als Portraitfotograf ist daher, einen Raum zu eröffnen, in dem etwas geschehen kann. Wenn das klappt, dann kommen all die kleinen Puzzlestücke zusammen und es entsteht ein Portrait, das eine Aussage hat und gleichzeitig Einblick in das Wesen des Menschen zulässt.
Also ja, man könnte auch „Menschen und ihre Geschichten“ sagen.
Begonnen hatte Christian Klant seine berufliche Laufbahn zunächst wenig künstlerisch: Nach dem Abitur begann er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, das er mit Auszeichnung abschloss. Es folgten Beratungsaufträge für Unternehmen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur. Nach dreieinhalb Jahren fragte sich Christian Klant, ob er eigentlich mit dem, was er tue, glücklich sei, und er kam zu dem Schluss: Nein. Ein paar Monate und einigen Zweifel später war Christian bereit für Neues. Er ließ Kunden, Netzwerk und die Beratung hinter sich und begann, als freier Fotograf zu arbeiten.
Feuilletonscout: Was waren deine ersten Aufträge?
Christian Klant: Überraschenderweise kam einer meiner allerersten Aufträge von einem meiner ehemaligen Netzwerkpartner, einem Coach aus Münster. Ihm erzählte ich von meiner Entscheidung die Beratung aufzugeben und Fotograf zu werden. Er erzählte mir daraufhin, dass er gerade ‚zufälligerweise’ auf der Suche nach einem Fotografen für ihn selbst und sein Team sei. Zwei Wochen später fand das Shooting statt.
So ging es weiter. Aus den unterschiedlichsten Richtungen kamen Menschen auf mich zu, die von mir portraitiert werden wollten. Meist Einzelpersonen, dann auch Unternehmen, die neue Fotos von ihren Mitarbeitern und Führungskräften brauchten.
Dann kamen Dokumentationen von Konferenzen und Tagungen als ein weiterer Baustein dazu. Ich war es gewohnt mich im Businesskontext zu bewegen. Das war sehr hilfreich.
Meine Überlegungen, noch einmal Fotografie zu studieren, habe ich schnell wieder verworfen. Ich hatte durch meine immer regelmäßigeren Aufträge schlicht keine Zeit mehr dazu.
2014 entstanden die ersten Wet Plate Portraits. Dabei arbeitet Christian Klant mit Kollodium Nassplatten (Wet Plates), eine Technik, die vor 150 Jahren entstand. Man benötigt eine Großformatkamera – und Zeit. In einer Welt der Schnelllebigkeit und Digitalfotografie etwas, das zur Besinnung und Entschleunigung einlädt.
Feuilletonscout: Wie bist du darauf gekommen, mit Kollodium Nassplatten zu arbeiten?
Christian Klant: Schon von Beginn an habe ich nach einem Medium gesucht, welches mir die Möglichkeit gibt all das in ein Portrait zu geben, was ich wahrnehme, wenn ich fotografiere. Die digitale Fotografie ist häufig ein wahrer Segen der Erleichterung in unterschiedlichsten Arbeitsumgebungen. Doch irgendetwas fehlte mir dabei.
So habe ich begonnen, mit klassischem, analogem Filmmaterial und Polaroids zu experimentieren. Doch auch da fehlte noch etwas. Von Leica bekam ich die damals noch brandneue „MONOCHROME“ für zwei Wochen zum Testen. Das ist eine digitale Kamera, die speziell dafür gebaut wurde schwarz-weiß Aufnahmen zu erstellen. Überraschender Weise war dieser Test eher enttäuschend.
Dann bin ich im Internet auf Portraits gestoßen, die mit dem Kollodium Nassplattenverfahren fotografiert wurden. Da machte es „Klick“. Ich hatte das Gefühl, dass dies eine Möglichkeit sein könnte Portraits zu machen, wie ich sie mir vor meinem geistigen Auge vorgestellt habe. Als ich meine erste eigene „Wet Plate“ fotografiert hatte wusste ich, dass ein neues Kapitel in meiner Arbeit als Fotograf begonnen hatte.
Feuilletonscout: Was macht das Besondere dieser Technik aus?
Christian Klant: Das Besondere für mich ist, dass es viel Handarbeit bedarf und viel Zeit benötigt, um zu einem guten Bild zu kommen. Ich schätze die digitale Fotografie sehr, doch gleichzeitig bringt der Umgang mit der Großformatkamera, den Chemikalien und viel Fingerspitzengefühl für etwas Organisches mit sich. Das ist ziemlich analog, wie man so schön zu sagen pflegt. Und für mich ist es einfach großartig.
Feuilletonscout: Wie kamst du auf die Idee „„100 Wet Plates – 100 Words“?
Christian Klant: Die ersten Testshooting in meinem Studio in Berlin habe ich mit Freunden und Bekannten durchgeführt. Natürlich waren es Portraits, dich ich von ihnen gemacht habe. Jeden habe ich mit in die Dunkelkammer genommen. Dort gibt es einen magischen Moment, in dem sich das fertige Bild im Fixierbad aus einem milchigen Schleier heraus aufklärt und schließlich zeigt. Das hat etwas mit den Menschen gemacht, die sich dann auf einmal selbst auf einer Platte anschauen.
Mit diesem Moment wollte ich arbeiten und die Menschen, die ich fotografiert hatte bitten, diesen magischen Moment mit einem Wort zu beschreiben. Das sollte der rote Faden der Serie werden. Und ich wollte das analoge Arbeiten auf den Punkt bringen, in dem ich pro Person nur ein einziges Bild mache. Ein gewagtes Unterfangen, wenn man mit einem über 150 Jahre alten Verfahren arbeitet, das äußerst sensibel auf so ziemlich alles reagiert.
Feuilletonscout: Wen hast du fotografiert?
Christian Klant: Mein Wunsch war es „random people“ zu fotografieren und nicht die üblichen Verdächtigen oder Prominente/VIPs. Ungeschminkt sollten die Bilder sein und unbeeinflusst von einem möglichen Bekanntheitsgrad.
So habe ich einen Aufruf gestartet und es dauerte nur wenige Tage, da begann das Telefon zu klingeln. Die 100 Portraits habe ich in drei Monaten fotografiert. Das war eine ziemlich intensive Zeit.
Herausgekommen sind markante schwarz-weiß Bilder, von denen die Blicke der Abgelichteten den Betrachter unmittelbar und intensiv treffen. Den Wert dieser einzigartigen Kunst haben inzwischen auch Galerien erkannt. Es hat nicht lange gedauert, und die ersten Ausstellungsmacher klopften an die Tür des Fotografen.
Feuilletonscout: Wie viele Ausstellungen mit den Wet Plates sind es inzwischen?
Christian Klant: In Deutschland konnte ich mein Projekt inzwischen vier Mal ausstellen. Dazu kommen Gruppenausstellungen in Prag (CZ) und Gilbert (USA). Das Buch zur Serie wurde Teil einer Ausstellung im Vermont Center for Photography, ebenfalls in den USA.
Inzwischen fotografiert Christian Klant auch Naturlandschaften im Wet Plates – Verfahren.
Feuilletonscout: Was fasziniert dich daran, Landschaften mit der Technik der Wet Plates festzuhalten?
Christian Klant: Ich liebe es in der Natur zu sein und so manches Mal habe ich mir gewünscht, von den Eindrücken auf meinen Reisen gute Landschaftsaufnahmen mitgebracht zu haben. Doch im Gegensatz zu den Portraits bei Menschen haben die Landschaften nicht mit mir als Fotograf gesprochen. Es fehlte mir etwas um das, was ich wahrnehme, auch in eine gute Fotografie zu transformieren.
Und wieder waren es hier die Wet Plates, die mir halfen diese Lücke zu schließen. Ich kann mir kaum etwas Aufwändigeres vorstellen, als Landschaften mit dem Kollodium Nassplattenverfahren zu fotografieren. Die Ausrüstung für meine kleinen Expeditionen mit Großformatkamera und mobiler Dunkelkammer wiegt zum Teil mehr als 100kg und viele Plätze, die ich aufsuche sind mit dem Auto nicht erreichbar. Das macht erfinderisch. Und gerade das übt den Reiz für mich aus. Manch einer schüttelt den Kopf, wenn ich mit ‚nur’ einem Bild nach einem vollen Tag wieder zurückkomme. Mich macht es glücklich.
Feuilletonscout: 2012 bekamst du von Ashoka, einer internationalen Non-Profit-Organisation zur Förderung von sozialem Unternehmertum, das Stipendium „Storyteller in Residence“. Was bedeutet das genau? Und wie wichtig ist dir diese Auszeichnung?
Christian Klant: Als ich begonnen habe als Fotograf zu arbeiten, habe ich mir die Frage gestellt, was ich gerne fotografieren möchte und was explizit nicht. Ich konzentriere mich gerne auf das positive, also Geschichten, die es meiner Meinung nach wert sind, erzählt zu werden. Und Ashoka, bzw. die Ashoka-Fellows haben davon eine ganze Menge auf Lager.
Mein Wunsch als Fotograf war und ist es, diese Geschichten durch Portraits und Reportagen sichtbar zu machen. So haben wir zusammen gefunden und so bin ich „Storyteller in Residence“ geworden. Während der Zeit meines Stipendiums habe ich mich intensiv mit den Ashoka Fellows befasst. Dabei ist eine Serie von Video-Portraits entstanden. Noch heute arbeite ich eng mit Ashoka zusammen.
Feuilletonscout: Du bist Künstler, der Betriebswirtschaftslehre studiert und als Berater gearbeitet hat. Von außen betrachtet scheinen diese Welten zwei gegensätzliche Pole zu sein. Empfindest du das ähnlich? Oder kannst du beides vereinen bzw. hilft dir deine betriebswirtschaftliche Vergangenheit in der Kunst?
Christian Klant: Auf den ersten Blick scheinen das tatsächlich unterschiedliche Welten zu sein. Ich glaube, in mir steckt ein Unternehmergeist mit Interesse an Menschen. Deswegen konnte ich mich auch in den Inhalten meiner Beratung in Wissenschaft und Wirtschaft wiederfinden. Ich habe meine Arbeit als durchaus kreativ wahrgenommen. Jetzt weiß ich, dass das damals meine Form des kreativen Ausdrucks gewesen ist. Das Design einer Studie, das Layouten einer Präsentation mit den Ergebnissen ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Christian Klant!
Als Design Thinker begeistert mich die Idee, sich mit der Zielperson intensiv auseinander zusetzen, ihre Geschichte zu Erzählen und ihr direktes Feedback über das Ergebnis einzuholen! Dadurch sind erfolgreiche Iteration und sehr tiefgründige, aussageintensive Portäts möglich.
Schönes Beispiel für notwendige Entschleunigung, für Verlangsamung und Ausdünnung der – für mich – schier unerträglichen Bilderschwemme. Sie ist so „mitreißend“, daß ich glaube, die alte These von dem Bild, das angeblich mehr sage als taudend Worte, längst nicht mehr stimmt; das hat mit der Qualität der Worte zu tun und der Bilder. Da scheint Christian Klant einen guten Weg beschritten zu haben. So wird das digitale „Verheizen“ der Motive, der Zwang zur Ästhetisierung als Realitätsverleugnung durchbrochen. Gefällt mir!