Berlin in den zwanziger Jahren. Während die Stadt auf der einen Seite brummt, die Nacht zum Tag macht und die Grenzen der sexuellen Freizügigkeit ausprobiert, leben im Scheunenviertel die Menschen beengt und in größter Armut. Dazwischen blitzen erste antisemitische Äußerungen auf, konspirative Treffen finden statt und die noch junge Weimarer Republik mit ihren einstigen linken Helden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kämpft um Stabilität. In diese Stadt zwischen Moloch und Glitzerwelt kommt Ariel Spiro, Kommissar aus Wittenberge, wo er eine spektakuläre Mordserie aufklären konnte. Jung und der brodelnden Metropole kaum gewachsen, schlittert er bereits am ersten Tag in einen Mordfall: Der reiche jüdische Bankier Erich Fromm wird erschlagen im Hinterhaus vor der Wohnung seiner Geliebten, einer Tänzerin, gefunden. Kein Ort für feine Herren wie ihn. Ariel Spiro nimmt die Ermittlungen auf und muss aufpassen, dass er nicht zusehends den Kopf verliert, zumal ihm die Tochter des Opfers gehörig selbigen verdreht.
Mitten hinein katapultiert uns Kerstin Ehmer in ihrem Krimidebüt. Hinein in die laute Stadt, die nie schläft, zwischen Droschken und ersten Autos, zwischen Reformschule, Transvestiten, Ganoven, Kriegsversehrten, Klein- und Großbürgerlichkeit. Ein gehöriges Maß an Lokalkolorit umweht ihre Figuren und wer Berlin kennt, läuft mit dem jungen Kommissar durch die Straßen der Stadt wie durch eine Vorkriegszeitreise. Schlag auf Schlag geht es, zackig die Sprache – ein gelungener Mix zwischen swingender Blütezeit und den Resten preußischen Militärtons. Viel Recherchearbeit steckt hinter den Zeilen und wer Lust hat, sollte im Internet auch die Geschichte von Calistro Thielecke nachschlagen, die Inspirationsquelle der Autorin. Die besten Geschichten schreibt das Leben – und danach Kerstin Ehmer. Ihr gelingt ein Berlin-Krimi voller Groove und Spannung, schlüssig und leichtfüßig.
Kerstin Ehmer
Der weiße Affe
Pendragon Verlag, Bielefeld 2017
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Coverabbildung © Pendragon Verlag
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