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Berliner Kulturforum: „Durchgeknallt und abgebrannt“

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Als Maren Wienigk vor einem Jahr ihre Stelle als Leiterin der Sammlung Architektur und Ornamentstichsammlung in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin antrat, fielen ihr der dortige Teilbestand der Feuerwerksdrucke und -traktate ins Auge – und sie begann ihn zu sichten und weiter zu recherchieren. Die Idee zur Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt“ im Kulturforum war geboren. Die Informationsfülle entpuppte sich als wahrer Fundus über die Geschichte des Metiers und ihrer Chronik. Im Interview verrät Maren Wienigk, was die Besucher erwartet.

Kulturgeschichte des Feuerwerks: Von Kriegskunst zu Festkultur

Feuilletonscout: Wie kam es zu der Idee zur Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt“? Und wer hatte sie?
Maren Wienigk: Meine Stelle als Leiterin der Sammlung Architektur und Ornamentstichsammlung in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin habe ich im Oktober 2023 neu begonnen. Der Direktor Moritz Wullen hat vorgeschlagen, mit einem ersten Projekt zu starten, dass „Charme und Witz“ hat. Der Teilbestand der Feuerwerksdrucke und -traktate ist mir ins Auge gefallen – und ich fing an zu sichten und zu recherchieren. Die Detailfülle der Kupferstiche ist fantastisch und sehr beeindruckend: der technische Aufbau einer Feuerwerksinszenierung, detailgetreue Stadtansichten, Wasserspiegelungen, Monster, brennende Zäune – es gibt erstaunlich viel zu entdecken. Auch die Mediengeschichte dieser Kupferstiche fand ich immer spannender: Sie zeigen oft simultan den Ablauf eines ganzen Abends, erzählen vom Netzwerk der europäischen Höfe des Absolutismus, förderten das gegenseitige Übertrumpfen der Herrschenden, wurden auflagenstark verlegt und fanden vielfache Verbreitung. Die Feuerwerksbücher vorrangig aus dem 17. Jahrhundert zeigen auf, dass die Entwicklung und Verbesserung von Feuerwerk an den technischen Fortschritt des Kriegswesens gekoppelt ist. Der Kippmoment im Wissen über Feuerwerk zwischen der Optimierung des Tötens und der Untermalung von Freudenfesten ist interessant.

Feuilletonscout: Was fasziniert die Menschen an Feuerwerken?
Maren Wienigk: Feuerwerkschoreografien faszinieren sicherlich durch die schnelle Abfolge von Effekten und die Lust am Überwältigungsmoment – Wunder und Plötzlichkeit. Vielleicht spielt auch weiterhin der Aspekt eine Rolle, sich die Sterne näher zu holen und den nächtlichen Himmel als Bildträger zu nutzen. Die Einzigartigkeit und Unwiederbringlichkeit bestärken wohl auch die gemeinsame Erfahrung zu besonderen Anlässen. Feuerwerkskörper faszinieren durch ihren Geruch, ihre Lautstärke und ihre Funktionsweise.

Feuilletonscout: Fasziniert es Sie auch persönlich?
Maren Wienigk: Nein.

Feuerwerk als vielfältige Festtradition: Von Hochzeit bis Weltausstellung

Feuilletonscout: Feuerwerk ist weit mehr als ein bisschen Knallerei zu Silvester. Haben Sie bei der Beschäftigung mit dem Thema noch viel gelernt bzw. Unbekanntes erfahren?
Maren Wienigk: Ich habe immens viel gelernt. Die Bandbreite der Anlässe war mir nicht bekannt: zu Pfingsten und zum Johannistag, zu Friedenbeschlüssen, Geburten, Taufen, Hochzeiten, Jubiläen, Gesundung des Königs – es gibt auch einen Bericht über ein Feuerwerk zu einer Beerdigung, doch das ist eher ungewöhnlich. Architektonisch und technisch ist der komplizierte Aufbau von Feuerwerkschoreografien ziemlich spannend. Interdisziplinär wurde Wissen aus dem Bereich des Theaters mit pyrotechnischer Expertise verknüpft und in Holz und Pappmaché umgesetzt. Im Barock waren Feuerwerksaufführungen sehr oft mit mythologischen Themen verknüpft. Dieser narrative Aspekt wurde im Rokoko und Klassizismus abgeschwächt. Im 19. Jahrhundert untermalten effektvolle Feuerwerke Eröffnungsveranstaltungen von Weltausstellungen; im Wiener Prater war ein Feuerwerksgerüst aufgebaut. Über die Ökonomiegeschichte der Salpetergewinnung habe ich einen kleinen Einblick gewinnen können. Die Kulturgeschichte des Feuers und des Lichts aus soziologischen, technischen und auch mythologischen Blickwinkeln ist sehr lehrreich, vielfältig und weit verzweigt.

Feuilletonscout: Hat Sie bei der Vorbereitung der Ausstellung etwas überrascht, besonders gefreut oder erschreckt? Hat Ihnen etwas besonders viel Spaß gemacht?
Maren Wienigk: Ich bin erstaunt, mit welcher Vehemenz uns Rückmeldungen von Männern zur Verteidigung von Feuerwerk erreichen – noch vor der Eröffnung der Ausstellung.
Besonders viel Spaß hat mir die Zusammenarbeit mit den vielen Beteiligten gemacht. Das gemeinsame Diskutieren mit der Grafikerin, wie Inhalt und Form sowohl im Ausstellungsraum als auch im Magazin zur Ausstellung ineinandergreifen, war sehr inspirierend. Mit Beginn der Recherche habe ich die Drucke aus den Archivkisten gesichtet. Es war schön zu beobachten, wie durch die behutsame Bearbeitung, Freilegung, Passepartoutrierung und Rahmung durch die Restaurator*innen die Kupferstiche und auch historischen Publikationen nun glanzvoll zur Geltung kommen. Den kommunikativen Aspekt, die Gespräche mit Kolleg*innen, den Austausch mit dem Aufbau-Team, der Lichttechnik, der Presse-Abteilung – dieses Geflecht schätze ich sehr.

Feuilletonscout: Feuerwerk war – blickt man in die Vergangenheit – ein umfassendes Business, dass nicht nur Pyrotechniker beschäftigte, sondern auch Architekten, Bühnenbildner, Choreographen, Musiker und vor allem Kupferstecher.
Maren Wienigk: Allerdings! Bereits in der Herstellung und Produktion ist der Salpetersieder unverzichtbar. Voraussetzung war ein aufregendes Erfahrungswissen über die dicht gepresste Zusammensetzung der Feuerwerkskörper im richtigen Mischungsverhältnis von Salpeter, Schwefel und Holzkohle. Die monatelange, interdisziplinäre, kostenintensive Zusammenarbeit vereinte immer wieder neue Erkenntnisse aus dem Militärwesen und auch der Theatertechnik. Die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte des Feuerwerks ist erstaunlich spannend. Die Rolle der Kupferstecher als Bildjournalisten avant la lettre ist sehr bemerkenswert.

Historische Kupferstiche zeigen prachtvolle Feuerwerksinszenierungen

Feuilletonscout: Wie kam das Kulturforum zu den Kupferstichen, die nun erstmals im Rahmen der Ausstellung öffentlich gezeigt werden? Was macht sie außergewöhnlich?
Maren Wienigk: Der Teilbestand der Kunstbibliothek ist ausgesprochen umfangreich. Zu ephemeren Festgestaltungen wurde seit dem Bestehen der Kunstbibliothek Ende des 19. Jahrhunderts gesammelt. Spannend ist das Ineinandergreifen und Ergänzen von Werken aus der Ornamentstichsammlung und der Lipperheideschen Kostümbibliothek, die auch einen Sammlungsschwerpunkt in der Festkultur hat. Die Ausstellung kann zwei Stiche – einen davon koloriert – präsentieren, die beide ein Feuerwerk anlässlich der Hochzeit von Kurfürsten Friedrich V. und Elisabeth Stuart zeigen, die am 14. Februar 1613 in London geschlossen und am 9. Juni 1613 in Heidelberg opulent gefeiert wurde.

Von Claude Lorrain bis Cai Guoqiang: Künstlerische Perspektiven

Feuilletonscout: Gibt es darunter ganz besondere Highlights oder ein Werk, das Ihnen besonders gut gefällt?
Maren Wienigk: Die Sammlung der Drucke zusammen mit den Publikationen als Konvolut fasziniert mich. Die Summe des Facettenreichtums, der Bandbreite und der Detailfülle ist beeindruckend. Auf einem Stich aus Nürnberg gibt es einen Monsterkopf aus dessen Maul zwei Feuerwerker agieren – diese Szene gefällt mir ziemlich gut. Eine Leihgabe aus dem Kupferstichkabinett ist auch sehr eindrücklich: acht Radierungen von Claude Lorrain aus dem Jahr 1637, die eine Abfolge eines aufwendigen Feuerwerks in der ersten Februarwoche 1637 in Rom zeigen, als Ferdinand III. zum König der Römer gekürt wurde. Lorrain hält meisterhaft verschiedene Augenblicke der Feuerwerksschlösser, die in die Luft fliegen, fest.

Feuilletonscout: Es wird auch Werke zeitgenössischer Künstler geben. Sind dies Auftragsarbeiten? Maren Wienigk: Nein. Zunächst habe ich im Kosmos der Staatlichen Museen zu Berlin recherchiert und bin auf die Werke von Roman Signer und Daniel Tobias Braun aufmerksam geworden. Im Gespräch mit Malte Bartsch, Sandra Kranich und Michael Wesley entwickelte sich die gemeinsame Zusammenarbeit. Den Kontakt mit Künstler Cai Guoqiang hat die Präsidentin der GeKA hergestellt. Alle Künstler*innen präsentieren bestehende Werke.

Tradition und Zukunft: Umweltaspekte und moderne Alternativen

Feuilletonscout: Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Deutschen Umwelthilfe und der Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e. V.  Welche Aspekte der Ausstellung beleuchten die jeweiligen Kooperationspartner?
Maren Wienigk: Die Deutsche Umwelthilfe ist mit einer Informations- und Medienstation im Foyer des Kulturforums vertreten und informiert über die Kampagne „Böllerciao“. Am 30.11. gibt es einen Thementag der Deutschen Umwelthilfe: Highlights sind eine Podiumsdiskussion zur Frage, wie ein Böllerverbot konkret umgesetzt werden könnte und eine Drohnenshow über dem Kulturforum als eine mögliche alternative Form der Festkultur.
Die Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e. V. hat uns auf ein großes Spektrum zeitgenössischer Kunst aufmerksam gemacht, die sich ganz unterschiedlich mit dem Material und Werkstoff Pyrotechnik auseinandersetzt. Vom chinesischen Künstler Cai Guoqiang wird eine Videoarbeit mit dem Titel „Explosive Beauty“ zu sehen sein.

Feuilletonscout: Wie war die Zusammenarbeit?
Maren Wienigk: Sehr gut und inspirierend.

Feuilletonscout: Gibt es eine Botschaft der Ausstellung?
Maren Wienigk: Die Ausstellung ist eine Einladung im Umgang mit historischen Objekten auch aktuelle Fragen zu verhandeln.

Feuilletonscout: Welche Reaktion auf die Ausstellung würde Sie am meisten freuen?
Maren Wienigk: Die Entdeckung, dass Ausstellungen, die Papierarbeiten in Schwarz-Weiß, historische Drucke und alte Bücher zeigen, erstaunlich viel Spaß machen können und auch viel mit unserer Gegenwart zu tun haben, würde mich sehr freuen.

Vielen Dank für das Gespräch, Maren Wienigk!

Durchgeknallt und abgebrannt. Feuerwerkskünste aus fünf Jahrhunderten
Ausstellung noch bis zum 9. Februar 2025

Kulturforum
Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz
10785 Berlin

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Fireworks in the museum: Berlin Cultural Forum shows cultural history

Maren Wienigk, new head of the Architecture Collection and Ornamental Print Collection at the Art Library of the Berlin State Museums, curates the exhibition „Durchgeknallt und abgebrannt“ (Blown Up and Burnt Out). The idea emerged from discovering an extensive collection of historical firework prints and treatises. These document not only technical details and city views but also power demonstrations of European courts during absolutism.

The exhibition showcases fireworks‘ diverse cultural history: from religious festivals and court ceremonies to world exhibitions. Highlights include copper engravings by Claude Lorrain and historical depictions of princely wedding fireworks. Contemporary artists like Cai Guoqiang also present their works.

In cooperation with Deutsche Umwelthilfe, the exhibition addresses current debates about fireworks. A theme day focuses on alternatives, such as drone shows. The Society for German-Chinese Cultural Exchange adds international perspectives.

The exhibition combines historical documentation, artistic interpretation, and current social discourse about a centuries-old tradition between festive culture and environmental concerns.

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