Von Birgit Koß.
Das Schönste an der Berlinale ist für mich das Reisen im Kinosesel in die verschiedensten Länder der Welt. So entführte mich dieses Mal ein Jugendfilm in das modernen Manila – Philippinen, ein Kinderkurzfilm nach Indonesien. Ich erlebte die Welturaufführung eines Films aus Ruanda über das Lebensgefühl junger Menschen in Kigali und fuhr gemächlich auf einem Boot auf dem Amazonas in Brasilien mit Hilfe einer Dokumentation. Auch der seit 40 Jahre verliehene Friedensfilmpreis erkundet immer neue Regionen– und vermittelt Eindrücke in uns unbekannte Welten.
Der diesjährige Preisträger ist ein Dokumentarfilm aus dem Sudan „Khartoum“ , dessen Entstehungsgeschichte schon preiswürdig ist. Ursprünglich hatte das sudanesische Filmemacherteam bestehend aus Anas Saeed, Rawia Alhag, Ibrahim Snoopy, Timeea M Ahmed und Phil Cox die Idee, die sudanesische Hauptstadt Karthum auf poetische Weise durch fünf verschiedene Menschen zu dokumentierten. Da war die Teekocherin Khadmallah mit ihrer Tochter Lisa, der Beamte Majdi, der gern mit seinem Sohn Tauben züchtet, Jawad, der als Sanitäter bei den gewalttätigen Protesten im Jahr 2019 tätig war und die beiden Straßenkinder Lokain und Wilson, die von einem Löwen träumen und sich nie ihr Lachen nehmen lassen.
„Khartoum“: Ein Film, der unter Extrembedingungen entstand
Die Dreharbeiten mit diesen fünf Menschen unterschiedlicher Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit begannen im Jahr 2022 und sollten die Demokratieproteste nach dem Militärputsch im Oktober 2021 und das friedliche Miteinander der Menschen in Khartum zeigen mit ihren Wünschen und Träumen. Doch im April 2023 brachen Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften SAF und den Rappid Support Forces RSF aus, in deren Folge Khartum weitgehend zerstört wurde und mehr als 10 Millionen Sudanesen auf der Flucht sind. Auch das Filmteam musste fliehen und nahm die fünf Protagonisten des Filmes mit ins Exil mit Hilfe des Geldes, das eigentlich für die Postproduktion gedacht war. So fanden sie sich alle in Nairobi auf engstem Raum wieder und beschlossen, hier den Film fertigzustellen. Sie reinszenierten die traumatische Fluchterlebnisse und versuchten sich gegenseitig zu unterstützen, um ihre Träume weiterzuverfolgen. Mit Hilfe eines Greenscreens wurde Traumsequenzen in das schon bestehende dokumentarische Material eingefügt. Dabei waren die Protagonisten immer wieder die handelnden Personen.
Ein poetisches Dokument des Krieges
So gelingt es auf poetische Weise die Zuschauer am Leben und an den Träumen der Menschen teilhaben zu lassen und gleichzeitig den Schrecken eines wenig bekannten Krieges zu dokumentieren. Majdi und sein Sohn sowie Jawad leben inzwischen in Kairo, zusammen mit vielen anderen sudanesischen Flüchtlingen. Khadmallah hat einen Teestand in Nairobi und träumt mit ihrer Tochter von ihren Heimatbergen und Lokain und Wilson gehen jetzt in Nairobi zur Schule. Da sich das Filmteam auch weiterhin für seine Protagonisten verantwortlich fühlt, wird Geld für den Schulbesuch von Lokain und Wilson gesammelt. Die Welturaufführung fand im Januar beim Sundance Filmfestival statt. Auf der Berlinale wurde der Film in der Sektion Panorama gezeigt und mit dem vierzigsten Friedensfilmpreis ausgezeichnet.
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‘Khartoum“: Berlinale honours moving film
The best thing about the Berlinale is traveling the world through film. This year’s journey spanned from Manila to Rwanda – and with Khartoum to Sudan. The documentary, awarded the Peace Film Prize, tells the remarkable story of its own creation.
Five people from Khartoum – a tea vendor, a civil servant, and two street children – were meant to portray everyday life in Sudan’s capital. But war broke out in April 2023, destroying the city. The filmmakers fled to Nairobi, bringing their protagonists with them.
There, they completed the film under extreme conditions. Using green screen techniques, they re-enacted their escape. The result is a poetic and powerful testament to cinema and resilience.
Today, Majdi and Jawad live in Cairo, Khadmallah runs a tea stand in Nairobi, and Lokain and Wilson attend school. Khartoum premiered at Sundance and screened at Berlinale’s Panorama section. More information and donation options