Jill McGown schreibt den perfekten Krimi zum fast perfekten Mord. Eine Rezension von Barbara Hoppe.
Ein Mann liegt erschlagen im alten Pfarrhaus. Das Opfer ist der Schwiegersohn des Pfarrers George Wheeler und dessen Frau Marian. Es ist Heiligabend, die Welt versinkt im Schnee und eigentlich müssten Chief Inspector Lloyd und Detective Seargent Judy Hill gemütlich daheim sitzen und mit ihren Lieben Weihnachten feiern. Doch da LLoyd, geschieden, sowieso nur bei einem Kollegen zu Gast gewesen wäre und Judy ihre ungeliebten Schwiegereltern erwartet, machen sich die beiden auf dem Weg zum Tatort. Dort erwartet sie eine wenig trauernde Pfarrersfamilie und selbst die Witwe ist sehr gefasst. Warum, stellt sich schnell heraus: Der Tote war gewalttätig, schlug seine Frau mehr als einmal. So ziemlich jeder der drei hatte also einen Grund, den Mann loszuwerden.
Lloyd und Judy stoßen in ein Dickicht voller Ungereimtheiten. Stimmen alle Aussagen, könnte es keiner der drei gewesen sein. Hinweise auf einen Einbrecher, wie die Familie den Polizisten weismachen möchte, gibt es nicht. Wer lügt? Wer verschweigt etwas? Welche Rolle spielt die junge und hübsche Eleanor Langton, von der sich Pfarrer Wheeler so angezogen fühlt und die einsam und zurückgezogen mit ihrem Kind oben auf der Burg wohnt, ohne Telefon? Ganz richtig. Ohne Telefon.
Denn die ehemalige Sekretärin und schließlich in ihrer englischen Heimat gern gelesene Krimiautorin Jill McGown starb 2007 im Alter von nur 60 Jahren. Als „Mord im alten Pfarrhaus“ 1988 erschien, stand uns die digitale Revolution noch bevor. Stattdessen treffen wir im verschneiten Middle of Nowhere of Häuser ohne Heizung, aber mit Kamin, auf Telefonapparate mit Festnetzanschluss (und manchmal eben nicht einmal auf den) und auf Autos mit kalten Lenkrädern. Aber bis auf diese Kleinigkeiten ist die Geschichte bemerkenswert zeitlos. Ein wahrer Klassiker unter den Krimis: Ein Mord, eine begrenzte Zahl an Verdächtigen, ein Ermittlerteam, das solide Polizeiarbeit leistet. Dabei gönnt sich Jill McGown durchaus auch einen kleinen Ausflug ins Privatleben ihrer Ermittler. Denn Lloyd und Judy haben eine Affäre, die immer wieder zu Spannungen führt, unsere Leselust jedoch nie überstrapaziert. Ganz im Gegenteil, erweist Jill McGown der guten Agatha Christie ihre Reverenz, lässt sie ihren Chief Inspector doch sagen: „Pfarrhäuser und eingeschneite Dörfer. Mit etwas Glück treffen wir auf einen angloindischen Oberst, einen Heiratsschwindler, einen leicht sinistren österreichischen Professor und auf eine alte Dame, die den Fall schließlich für uns aufklärt.“ Aber dies ist auch das einzig Miss-Marplehafte dieses Romans. Obwohl dreißig Jahre alt, ist der Plot erfrischend modern. Des Rätsels Lösung bleibt lange in den Schneewehen versteckt. Gern knobelt man als Leser mit und ist bald ebenso ratlos und verwirrt wie die Polizisten.
„Mord im alten Pfarrhaus. Ein Weihnachtskrimi“ ist auch ein Krimi für Weihnachten. Aber eigentlich ist es einfach nur ein schönes Buch für lange Wochenenden, dunkle Abende und gemütliche Stunden für alle, die einfach nur mal wieder einen guten, klassischen Kriminalroman lesen möchten.
Jill McGown
Mord im alten Pfarrhaus. Ein Weihnachtskrimi
DuMont Buchverlag, Köln 2018
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Coverabbildung © DuMont Buchverlag
Rezension zum Nachhören als Podcast: hier
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