Joe Fischler schickt in einem weiteren Regionalkrimi seinen liebenswerten, immer unglücklich verliebten Polizisten Arno Bussi ins hinterste Tiroler Tal. Und dabei kann man sich köstlich amüsieren. Ein Plädoyer von Barbara Hoppe.
Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Regionalkrimis. Fast jede Ecke dieser Welt, so scheint es, ist inzwischen abgedeckt. Deutschland, Österreich, natürlich die schönsten Urlaubsgebiete Europas, immer gespickt mit Lokalkolorit wahlweise mit Schwerpunkten auf Dialekt, Eigen- bis Schrulligkeit oder gutem Essen. Die Flut scheint ungebrochen, es werden immer mehr. Sie verderben die Qualität guter Krimiliteratur, wettern die Kritiker, den anderen ist das alles egal. Sie greifen zur unterhaltsamen Lektüre und entspannen einfach. Warum auch nicht? Wer entscheidet denn, was gefällt? Jährlich arbeitet man sich als Rezensent durch unzählige Neuerscheinungen. Immer häufiger gerät man dabei an Autorinnen und Autoren, die nichts Besseres zu tun haben als besonders originell sein zu wollen. Sie erzählen fragmentarisch, in Gedankenfetzen, springen vor und zurück, lassen den Leser im Unklaren, was wirklich geschieht, erzählen keine Geschichte mehr, sondern, ja, was eigentlich? Gefühls- und Geisteszustände? Seelenpein oder Wahnsinn, irgendwo angesiedelt zwischen Schein und Sein? Selbst Krimis und Thriller strotzen zwar häufig vor verwickelten Plots, geizen nicht mit Grausamkeit, halten aber sprachlich dem selbst gesetzten Anspruch nicht stand. In den Himmel gepriesen, kündigen sich diese Werke an, ihre Autoren sind schon fast so etwas wie die neuen Stars am Literaturhimmel. Ach so, das ist dann also gute Literatur.
Kein Wunder, dass der Regionalkrimi boomt. Hier ist alles überschaubar, im besten Fall kennt der Leser den Ort oder bekommt große Lust, dort einmal Urlaub zu machen. Alles ist nett und greifbar. Keine anonymen Konzerne und dubiose global agierende Dunkelmänner, deren Machenschaften kein Mensch durchblickt, tauchen auf.
Und was ist nun mit Arno Bussi? Der passt hervorragend in die Reihe der höchst unterhaltsamen Entspannungskrimis. Aus Wien strafversetzt nach Hinterkitzlingen bei Vorderkitzlingen in Tirol soll er Hotelier Unterberger suchen, der seit einigen Tagen verschwunden ist. Nur mit seiner geliebten himmelblauen Dreihunderter-Vespa und dem nötigsten Gepäck kommt er an und findet nicht nur eine Baracke von Polizeistation, sondern auch den tiefgefrorenen Kopf des Hoteliers im Schnitzelparadies der resoluten Gastwirtin Resi. Von hier an entwickelt Joe Fischler einen Krimi, der an manchen Stellen so viel Slapstick-Charakter hat, dass man hochachtungsvoll den Hut davor zieht. Schlimmer geht nicht? Doch, schlimmer geht immer. Arno Bussi stolpert durch Regen, Erdrutsche, verschüttete Straßen und Häuser, mit geprellten Rippen und nassen Kleidern, schwer verknallt in die hübsche Eva und technisch auf dem Stand von 1960. Denn in dem Tal gibt es schon ohne Regen kein richtiges Handynetz oder funktionierende Polizeicomputer. Und schließlich fällt auch noch der Strom aus. Es hört nicht auf mit den Katastrophen, denn der Ort ist dank des Unwetters abgeschnitten, auf Verstärkung darf Bussi nicht hoffen.
Richtig. Das ist keine große Krimiliteratur. Mit Betonung auf Literatur. Das ist einfach spannend und vor allem sehr lustig. Joe Fischler unterhält prächtig. Hier geht es weder raffiniert zu noch übt dieser Krimi Kritik an sozialen, gesellschaftlichen oder globalen Zuständen. Aber eine wilde Geschichte serviert er uns dennoch. Arno Bussi hat unsere Sympathien und jeder, der nur einmal durch ein Dorf gefahren ist, weiß genau, wie es in Hinterkitzlingen sein muss, hier, jenseits des urbanen Lebens einer Großstadt wie Wien oder Berlin.
„Der Tote im Schnitzelparadies“ ist der Auftakt einer neuen Krimireihe. Sie wird ihre Fans haben. Und nein, sie ist nicht der Abgesang auf das, was Krimiliteratur genannt wird. Nur ein weiteres farbenfrohes Mosaiksteinchen darin.
Joe Fischler
Der Tote im Schnitzelparadies
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
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