Kolumne von Susanne Falk.
Man entgeht ihnen nicht. Sie lassen sich so sicher am Ausgang eines jeden Museums finden wie nasse Schirmständer und stehen gelassene Ehemänner, deren Frauen „nur mal kurz noch“ auf die vor Besucherinnen wimmelnde Damentoilette müssen. Die Rede ist von den Museumsshops. Die Frage ist nur: Warum braucht es zur Seligkeit Mozart-Brillenetuis oder Metallschachteln im Form von ägyptischen Sarkophagen?
Die Antwort ist so einfach wie kompliziert: weil es sie gibt. Nichts, was man in einem Museumsshop erwerben kann, braucht man wirklich fürs Leben. Wir kaufen hier weder Lebensmittel noch Unterhosen im Fünferpack, bestellen keine Bettmatratzen und ich kann mich nicht daran erinnern, je in einem Museum so etwas wie Kopfschmerztabletten erworben zu haben, obwohl man die durchaus brauchen könnte, wenn man erfolgreich sein brüllendes Kleinkind an dem Regal mit der Quengelware (irgendetwas aus Plüsch und mit großen Glasaugen) vorbeigezogen hat.
Alles, was Sie in einem Museumsshop kaufen können, gibt es so auch billiger in einem normalen Geschäft zu erwerben. Das weiß der aufgeklärte Museumsbesucher natürlich. Die einzige Ausnahme bildet vielleicht der passende Katalog zur aktuellen Ausstellung, aber, ganz ehrlich, wann schauen Sie sich den denn noch einmal in Ruhe zuhause an? Na? Und trotzdem können wir an dem Sammelsurium aus überteuerten Himbeerzuckerln, Sigmund-Freud-T-Shirts oder dem klassischen Kühlschrankmagneten mit dem schönen Stillleben von dem flämischen Maler, an dessen Namen wir uns schon an der Kasse nicht mehr erinnern können, nicht vorbeigehen. Denn Museumsshops treiben den Konsumrausch auf die Spitze, indem sie uns Exklusivität vorgaukeln. So etwas wie diese Goethe-Handpuppe, davon sind wir felsenfest überzeugt, finden wir nirgendwo sonst noch auf der Welt!
Nun ist es so, dass auch ich diesem Wahnsinn von Zeit zu Zeit erliege. So erwarb ich in Museen schon ausgesprochen sinnvolle Dinge wie Klimt-Kugelschreiber (braucht man schließlich immer), essbare Gummidrachen und -ritter (weil die Kinder wenigstens irgendetwas kaufen wollten – „Egal was, Mama!“) oder die besagte Goethe-Handpuppe – und den Schiller gleich dazu. (Es sei hier nur am Rande erwähnt: Damit haben wir dann unsere Kinder gefüttert, als sie noch im Karottenbreialter waren. Einen Löffel für Herder, einen Löffel für Wieland, einen Löffel für Schlegel… Wer sagt denn, dass Germanisten nicht auch einen Vollschuss haben dürfen?)
So finden die Dinge, die wir in den Museumsshops rund um den Globus kaufen, irgendwie Eingang in unseren Alltagsgebrauch. Auch wenn das nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen ist, weil man nun einmal so schwer etwas mit einem schicken Mozart-Brillenetui anfangen kann, wenn man bloß eine billige Sonnenbrille aus dem Drogeriemarkt besitzt. Doch braucht man das alles wirklich?
Im Sinne der Minimalisten, die ja angeblich prima mit nur 100 Dingen ihr Leben bestreiten können, kann man diese Frage getrost mit „Nein!“ beantworten. Aber ich sage: Wer braucht schon Minimalisten? Wer anderen ständig erzählt, sie hätten zuviel, der hat noch nie zu wenig gehabt. Gut, es braucht vielleicht nicht immer etwas aus einem Museumsshop, aber was ist denn bitte sinnloser im Leben als Kunst? Und was erfüllt uns gleichzeitig mit so viel Glück? Und es macht keinen Unterschied, ob wir nun das Original eines Vincent-van-Gogh-Gemäldes anschauen oder uns nur dank eines Magneten daran erinnern, dass wir es gesehen haben – allein beim Blick auf den Kühlschrank kommt mit der Erinnerung auch jedes Mal das Glücksgefühl wieder in uns hoch. Denn Souvenirs aus dem Museumsshop sind im Grunde nichts anderes als ein Tagebuch aus exquisitem Krimskrams. Wir waren dort – und wir erinnern uns gerne daran. Und manchmal geben wir diese Erinnerungen auch weiter an eine nächste Generation. Davon zeugen zahlreiche Karottenbreispritzer auf Goethes Rock.
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