Kolumne von Susanne Falk.
Spätestens seit dem Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014 ist die queere Community auch ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung Österreichs vorgerückt. Unvergessen der Anblick von Conchita als Werbetestimonial einer sonst recht konservativ auftretenden Bank wenige Monate nach ihrem ESC-Sieg, was zu so schönen Situationen führte wie der, dass die allgegenwärtige bärtige Lady einer Wiener Hofratsgattin beim Geldabheben vom Plakat aus zulächelte und diese so rein gar nichts dagegen machen konnte. Zähneknirschend, weil ganz unvermittelt mit einem ihr fremden Weltbild konfrontiert, zog die Dame vor mir ihre Hunderter aus dem Bankomaten, schüttelte missbilligend den Kopf und murmelte dann: „Wos soll ma mochn?!“
Nichts, hätte ich ihr gerne hinterher gerufen, rein gar nichts sollst du dagegen machen, sondern das Neue umarmen und endlich in der gesellschaftlichen Mitte willkommen heißen. Rück halt mal a Stückerl beiseite, es ist ja genug Platz für alle da!
Und nun rücken die Wiener Museen tatsächlich ein Stück beiseite, also im übertragenen Sinne, weil die Pläne für ein queeres Museum, geplant nach dem Berliner Vorbild „Schwules Museum Berlin“, in Wien jetzt immer konkreter werden. Das ist gut und längst überfällig und eine echte Bereicherung für die österreichische Kulturlandschaft, weil hier die queere Community zeigen kann, dass ihre Geschichte lange schon vor Conchita Wurst begann. Sehr, sehr lange vorher.
So haben nicht nur die Habsburger eine recht bewegte schwule bzw. lesbische Geschichte vorzuweisen, auch einer der herausragenden Bauten des Wiener Rings verdankt sich angeblich einem schwulen Architektenpaar: keine Staatsoper ohne die kongeniale Zusammenarbeit von August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll! (Allerdings, muss man leider hinzufügen, haben es ihnen die Wiener nicht wirklich gedankt und die Kritik am Werk van der Nüll gar in den Selbstmord getrieben.) Ob in Kunst, Architektur, Geschichte – queeres Leben hat in Wien seine Spuren hinterlassen, die nun endlich auch der breiten Wiener Bevölkerung bewusst gemacht werden sollen, abseits der großen Regenbogenevents.
Wobei das mit dem Bewusstsein immer so eine Sache ist. Oder, wie der Wiener gerne sagt: „Nix Genaues weiß man nicht.“ Was man nicht sieht, ist gar nicht da. So hat man schon eine Menge kultureller und menschlicher Vielfalt im Dunkeln gehalten, nur damit den strengen gesellschaftlichen Regeln genüge getan wird – ein Korsett, dass es zu sprengen galt und gilt, trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie, Ausgangssperren und erhöhter Terrorgefahr nach dem schrecklichen Attentat in der Wiener Innenstadt vom 2. November 2020. Wien ist anders. Wien ist Vielfalt. Daran ist nicht zu rütteln. Zeigen wir es der Welt!
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.