Für die c-Moll-Messe von 1783 ist kein kirchlicher Auftraggeber nachweisbar. Warum hat der Komponist sie geschrieben? Das Collegium Vocale Gent und das Orchestre des Champs-Elysées unter Philippe Herreweghe suchen eine Antwort darauf. Von Stephan Reimertz.
Salzburg hat zwei große evangelische Kirchen. Die eine steht rechts der Salzach und heißt Christuskirche. Die andere steht am Mönchsberg und heißt Haus für Mozart. Hohe Holzleisten zwischen den Kirchenbänken und Balkonen und ein nüchterndes Innere spiegeln den Geist des Protestantismus. Und das mitten in der Stadt der Erzbischöfe. Im schmucklos-funktionalen Inneren der Kunstkirche soll man sich, ohne von Schnickschnack abgelenkt zu werden, auf das Wesentliche konzentrieren. Hier werden Oper, Ballett und Konzert zu einer Form des evangelischen Gottesdienstes. Man soll stillsitzen und leiden.
Von Leiden freilich kann bei der Aufführung des Werkes bei der Mozartwoche keine Rede sein. Kapellmeister Philippe Herreweghe, das Collegium Vocale Gent und das Orchestre des Champs-Elysées, die strahlende Sopranistin Siobhan Stagg, die interessante Mezzosopranistin Sophie Harmsen, und die Herren Sebastian Kohlrepp und Krešimir Stražanac verstanden die Missa, die unter Mozarts geistliche Hauptwerke zu rechnen ist, als einen einzigen Lobgesang auf den Himmel, auch wenn dieser in einer durch Konzertsäle und Aufnahmetechnik geprägten Klangästhetik ertönte.
Das lag nicht am Aufführungsort allein. Herreweghe huldigt einem Klangideal moderner Perfektion, wie es heuer die Mozartwoche dominiert, man denke nur an die Klavierkonzerte mit András Schiff. Das Orchestre des Champs-Elysées ist in Frankreich Kult und schien sein Publikum gleich mitgebracht zu haben. Man hätte die Messe lieber in der Peterskirche gehört, in der sie 1783 uraufgeführt worden war. Der Dom blieb dem soeben aus dem Dienst desertierten Hofmusiker damals verschlossen. Auch störte man sich daran, dass seine Verlobte Konstanze die Sopranpartie sang. So ist dieses helle, jubilierende geistliche Werk vor allem eine Musik der Liebe.
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