21 Jahre war die die New Yorker Literaturkritikerin Wendy verheiratet. Dann hat ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verlassen und Wendy muss plötzlich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Nach dem ersten Schock beginnt sie, Fahrstunden zu nehmen, um den Führerschein zu machen und ihre Tochter in Vermont besuchen zu können. Doch bei dem indische Fahrlehrer Darwan (Ben Kingsley) lernt Wendy weit mehr, als nur fahren.
NDR online hält fest: „Es gibt hier durchaus Situationen zum Schmunzeln, aber auf offensichtliche Lacher ist Regisseurin Isabel Coixet nicht aus. Sie erzählt leise und unaufgeregt von der Begegnung zweier Menschen, die in einer Lebenskrise wichtig füreinander werden. […] Weil auch die beiden Hauptdarsteller ihre Rollen so wahrhaftig spielen, bereitet dieser kleine, unspektakuläre Film großes Vergnügen.“
Der österreichische Standard fasst zusammen: „Isabel Coixet verfilmt ein kleines Stück Alltagsphilosophie und lässt Patricia Clarkson bei Ben Kingsley erfolgreich Fahrstunden fürs Leben nehmen. Ein Film, in dem Melancholie und Optimismus zusammenfallen.“
Welt online konstatiert: „Geht gerade noch gut, diese Feel-Good-Fahrerei durch Manhattan. Selbstverständlich ist das nicht.“
Cinema online meint: „Die Geschichte vom Neuanfang wider Willen klingt nicht besonders originell, doch der katalanischen Regisseurin Isabel Coixet […] gelingt es, sie auf unspektakuläre Weise neu zu erzählen.“
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Zm schönen Interview mit Anneleen Lenaerts
Im ersten Augenblick dachte ich, es handle sich um meine Eroberung von 2004. War aber nicht. Harfenistinnen machen mich leicht schwach:
Samstag, 13 h an der KaDeWe-Halte. Ich stehe weit hinten mit meiner Taxe und frühstücke. Ein kleines Mädchen an der Hand der Mutter sieht durch die Scheibe zu mir herein. Einen Moment sehen wir uns in die Augen. Ein paar schwarze Pupillen, die mich schmerzhaft treffen. Ich vergesse zu atmen und würge an meinem Bissen. Sie trägt ein blaues Kleid, mit der freien Hand hält sie einen weißen Luftballon und sie will mich was fragen. Aber nun rückt die Taxireihe zwei Plätze weiter und ich fahre nach vorn.
Die beiden folgen mir und sehen wieder durch die Seitenscheibe. Nun öffne ich das Fenster und frage „wollen Sie zu mir?“ „Ja, bitte zum Konzerthaus in Mitte“ sagt die Mutter. Das kleine Mädchen sieht mich aufmerksam an. Ich schraube die Thermoskanne zu, packe das Käsebrot weg und steige aus. „Für Dich hole ich den Kindersitz von hinten“, sage ich zu der Kleinen und füge dann in väterlichem Tonfall – der sich mehr an die Mutter richtet – an „oder bist Du dafür schon zu groß?“ Die Mutter sagt „nein, das ist gut“. Die Tochter schweigt. Ich hänge den Kindersitz an den Sicherheitsgurt und sage „bitte mein Fräulein“. Sie sagt „i heiß Josefine“. Ich zeige ihr, wo sie den Gurt einklicken kann, ziehe ihn so stramm, wie er sein muß, sage „super“ und meine damit ihren schönen Namen. Der Luftballon schwebt zwischen Mutter und Tochter. Sie sitzt artig auf der Rückbank. Sie gefallen mir – und ich gefalle ihnen, auf jeden Fall der Tochter. Wie hübsch sie ist, und wie hübsch angezogen.
Ich frage „am hellichten Tag ins Konzerthaus? Gibt es da um diese Zeit ein Konzert?“. Die Mutter sagt „nein. Da sind die ,Tage der alten Musik‘ und wir stellen Instrumente aus. Es gibt da eine kleine Ausstellung. Wir haben uns nur mal eine Stunde abgeseilt. Aber jetzt müssen wir schnell wieder zurück zu unserem Stand.“ „Instrumente“ sage ich, „das klingt spannend. Was denn für welche?“ Sie und ihr Mann sind Instrumentenbauer. Hier zeigen sie Nachbauten historischer Harfen.
„Sie sind wohl nicht von hier“ sage ich. „Nein, wir kommen aus Tübingen.“ „Ein hübsches Städtchen“ sage ich und strahle. „Da wohnt meine Schwester. Ich liebe es.“ Mutter und Tochter strahlen auch. Die Mutter sagt „nicht genau Tübingen. Wir wohnen in Bebenhausen. Vielleicht kennen Sie das ja auch.“ „Und ob! Mein Neffe hat dort Klavierkonzerte gegeben, im Refektorium des Klosters.“ Das kennen beide. Auch die Tochter nickt begeistert. Ich bin auf meinen Neffen stolz.
Zwischen Potsdamer Brücke und Staatsbibliothek sitzen wir im Stau. Ich deute auf die Philharmonie vor uns und sage „sehen Sie das flachere, graue Gebäude neben der goldenen Fassade: unser Instrumentenmuseum. Das wäre für Sie auch mal eine Unterbrechung wert. Mein Neffe kam extra deswegen nach Berlin.“ „Ich werde es mir merken“ sagt die Mutter. Die Tochter fragt, ob es von hier noch weit bis zum Reichstag ist. „Das ist ganz nah“ sage ich. „Nur fünf Minuten. Willst Du dorthin?“ „Noi“ sagt sie, „aber die Frau Herberger hat g’sagt, daß die Kuppel ganz toll isch.“ „Frau Herberger ist Josefines Lehrerin. die war vor kurzem auch hier“ sagt die Mutter. Josefine mußte für die Berlinreise drei Tage von der Schule befreit werden, klärt sie mich auf. „Aber Du willst eigentlich nicht auf die Kuppel steigen“ frage ich Josefine. Sie schüttelt den Kopf. „Lieber auf den Fernsehturm.“ Das kann ich verstehen. Der ist viel höher und ich kann die Kuppel auch nicht leiden. Den ganzen Reichstag kann ich nicht leiden.
„Führen Sie ihre Harfen auch vor“, frage ich die Mutter. „Ja“ sagt sie. „Wenn sich jemand dafür interessiert, spiele ich sie an.“ Das kann ich mir gut vorstellen, mit ihren schmalen Händen und den langen Haaren. Ein Bild von einer Harfenistin. „Spielst Du auch schon ein Instrument“, frage ich Josefine. „Harfe“ sagt sie, „und Klavier und Flöte.“ „Harfe…“ wiederhole ich andächtig, „…und Klavier und Flöte.“ Sehnsüchtig erinnere ich mich an die eigene Kindheit mit Blockflöte.
Dann sind wir schon am Ziel: Konzerthaus, Bühneneingang. „Das macht 11 Euro“ sage ich und drücke auf Kasse. Während ich herausgebe sagt die Mutter „daß wir Sie vorhin aus Ihrer Vesperpause gerissen haben, tut mir leid.“ Ich sage „es war mir ein Vergnügen. Außerdem habe ich genau gesehen, daß Josefine mich ausgewählt hat. Das ist eine Ehre für mich.“ Josefine nickt und sagt „ja“. Ich sehe ihnen über die Straße nach. Josefine schwebt am Luftballon leicht über dem Boden und winkt mir mit den Flügelchen zu.