Die Zeiten für Verlage sind hart, trotzdem gibt es beherzte Verlegerinnen und Verleger, die sich neu auf den Markt wagen. In den letzten beiden Jahren sind gleich zwei Verlage für zeitgenössische afrikanische Literaturen entstanden. Birgit Koß stellt den Akono Verlag und nächste Woche den Intrekontinental Verlag vor.
Akono Verlag
2020 gründete die Kulturwissenschaftlerin Jona Elisa Krützfeld in Leipzig den Akono Verlag, „um afrikanische Literat*innen auf den deutschen Buchmarkt einzuladen und ihre Werke bekannt zu machen, um die Wahrnehmungs- und Übersetzungslücke für afrikanische Literaturen ein wenig zu verkleinern und um dem intellektuellen Eigentum afrikanischer Künstler*innen mehr Wertschätzung zu verschaffen“, erläutert Krützfeld.
Im Herbst 2021 kam das erste Programm mit drei Büchern heraus, das die deutsche Übersetzung von Wayétu Moores Debüt „she would be king“ – „Sie wäre König“ enthielt. Die Autorin wurde 1985 in Liberia geboren. Während des Bürgerkriegs von 1989 bis 2003 floh sie mit ihrer Familie in die USA, wo sie 2011 einen eigenen Verlag gründete.
Sie wäre König von Wayétu Moore
Dieser Roman ist eine magisch-historische Fiktion über die Gründung des Staats Liberia. Drei Figuren treffen sich in den 1830er Jahren an der Pfefferküste, wo die American Colonization Society Land gekauft hat, um freie Schwarze Menschen aus den USA abzuschieben. Die rothaarige Gbessa wurde als Kind von ihrer Dorfgemeinschaft, der westafrikanischen Lai, als Hexe verstoßen – nach einem Schlangenbiss weiß sie, dass sie unsterblich ist. Der junge Sklave June Day flieht von einer Plantage in Virginia. Er ist mit einer übernatürlichen Kraft gesegnet, die seine Aufseher in Angst und Schrecken versetzt – er ist unverletzlich und extrem stark. Der Dritte im Bunde ist Norman Aragon, Sohn eines weißen Forschers aus Großbritannien, der sein Hausmädchen – Normans Mutter – erschossen hat, nachdem er sie mehrfach sexuell missbraucht hatte. Seine besondere Gabe ist, dass er sich unsichtbar machen kann. Diese drei Protagonisten treffen schließlich in dem entstehenden Liberia aufeinander und verkörpern nicht zu Letzt die Gewalt, die Schwarzen Menschen angetan wurde. Sie treten gemeinsam den Kampf gegen Unterdrückung, Versklavung und koloniale Fremdherrschaft an.
Wayétu Moore erzählt ihre Geschichte mit enger Einbindung der alten westafrikanischen Mythen in sehr poetischer Sprache. Neben dem Schicksal ihrer drei außergewöhnlichen Protagonisten erfahren wir vieles über koloniale Gewalt und die Gründungsgeschichte Liberias. Das Aufeinandertreffen der ursprünglicheren Bevölkerung der Pfefferküste mit den freigelassenen Sklaven, die aus Amerika zurückkehren, läuft nicht immer harmonisch und gewaltlos ab. Doch als die Franzosen Liberia angreifen, stellen sich alle gemeinsam dem Kampf. Gbessa ist dabei die einzige Frau. „Das Mädchen mit der größten Gabe von uns allen. Dem Leben. Wär sie nicht ein Mädchen, oder wäre sie nicht eine Frau; wäre sie keine Frau oder wäre sie keine Hexe – sie wäre König“.
Wayétu Moore
Sie wäre König
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
Akono Verlag, Leipzig 2021
bei amazon
Vertraulichkeiten von Max Lobe
„Vertraulichkeiten“ von Max Lobe, im Frühjahr 2022 erschienen, gehört ebenfalls in die Schiene Romane, die sich mit historischen Ereignissen beschäftigen. Max Lobe, 1986 in Duala geboren, lebt als Autor und Kulturaktivist in Genf. Queerness, Migration und Postkolonialismus durchziehen sein Werk. „Vertraulichkeiten“ ist sein dritter Roman und wurde mit dem Ahmadou-Kourouma-Preis ausgezeichnet.
In diesem Roman begibt sich der Autor auf eine Reise in sein Geburtsland Kamerun, das er mit 16 Jahren verlassen hat. Er will sich auf die Spurensuche nach einem bis heute weitgehend verschwiegenen Krieg im Rahmen des Unabhängigkeitskrieges in den 50er und 60er Jahren begeben. Dabei hilft ihm Ma Maliga, eine alte Frau, die den großen Held des Unabhängigkeitskampfes Um Nyobè, genannt Ruben, persönlich kannte. Max Lobe beschreibt Ma Maliga als eine Frau die dem Palmwein sehr zugetan ist, sich an seiner Aufmerksamkeit erfreut und es liebt, über die alten Zeiten zu schwadronieren. So kommt sie von Höcksken auf Stöcksken. Nach kurzer Eingewöhnungszeit macht es großes Vergnügen, Ma Maliga bei ihrer Erzählung zu folgen und so vieles über Land und Leute zu erfahren. Und mitten drin dann Enthüllungen zu den grausamen Ereignisse, als die anfangs friedliche Unabhängigkeitsbewegung um Um Nyobè zunehmend kriminalisiert wird und es zu einer Art Bürgerkrieg kommt. Menschen, die als Sympathisanten gelten, werden wahllos erschossen oder in Lagern interniert. Aber selbst wenn Ma Maliga die Tränen nicht mehr zurückhalten kann bei ihren Erinnerungen, nie vergisst sie einen kräftigen Schluck Palmwein zu nehmen. Unterbrochen werden diese Kapitel von kurzen Einschüben, in denen der Autor erzählt, wie er seine Begegnung mit der Heimat als queere in der Schweiz lebende Person wahrnimmt.
Auch der in den USA lebende Kameruner Autor Patrice Nganang hat sich in seinem Roman „Spur der Krabbe“ diesem Unabhängigkeitskrieg angenommen, ebenso wie Hemley Boum, die inzwischen in Frankreich lebt, in „Die Tage kommen und gehen“. Beide Romane sind im Peter Hammer Verlag erschienen, der schon seit Jahren afrikanische Autoren regelmäßig in seinem Programm hat.
Max Lobe hat auf erfrischende Art und Weise einen Weg gefunden, sich diesem grausamen Thema anzunähern, das bis heute in Kamerun verschwiegen wird. So äußerte er bei einer Lesung die Hoffnung, dass sein Buch nicht nur in Europa sondern auch in Kamerun von jungen Menschen wahrgenommen wird.
Max Lobe
Vertraulichkeiten
Aus dem Französischen von Katharina Triebner-Cobald
Akono Verlag, Leipzig 2022
bei amazon
bei Thalia
Was mittwochs war, und freitags – Afrikanische Geschichten über das Lieben und Begehren
Neben Romanen bietet der Akono Verlag auch Gedichten und Kurzgeschichten ein Zuhause, darunter die Kurzgeschichtensammlung „Was mittwochs war, und freitags“, die Jona Krützfeld gemeinsam mit den Literaturübersetzer und Afrikanisten Thomas Brückner herausgegeben hat. Thomas Brückner, der ebenfalls in Leipzig lebt, hat unter anderem Werke von dem Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, Ngugi wa Thiong’o, Helon Habila, Ivan Vladislavic und auch das Debüt von Wayétu Moore übersetzt.
Die hier vorliegende liebevoll gestaltete Sammlung afrikanischer Geschichten über das Lieben und Begehren bietet eine enorme Bandbreite an Stilen, Blickwinkeln und Themen. Sie ist eine Entdeckung vieler bisher noch nicht ins deutsche übersetzter Autoren und Autorinnen, die jeweils vor ihrer Geschichte kurz vorgestellt werden. Dabei geht die abwechslungsreiche Reise quer über den ganzen Kontinent und zeigt die Universalität der Gefühle jeweils vor dem eigenen kulturellen Hintergrund.
Jona Elisa Krützfeld und Thomas Brückner (Hrsg.)
Was mittwochs war, und freitags – Afrikanische Geschichten über das Lieben und Begehren
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
Akono Verlag, Leipzig 2022
bei amazon
bei Thalia
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