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Nicht Noir, sondern Grau: Fuminori Nakamura „Die Maske“

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Rezension von Barbara Hoppe

Es scheint, als liebten Japaner einsame Helden.Bei Murakami, Kawakami, Fujiwara finden wir sie und nun auch bei Fuminori Nakamura. Seinen Protagonisten trifft es besonders hart. Hineingeboren in den undurchsichtigen und zwielichtigen Kuki-Clan, wächst der kleine Fumihiro ohne Liebe, dafür mit viel seelischer Grausamkeit auf. Denn Fumihiro wurde nur aus einem Grund gezeugt: Er soll ein „Geschwür“ werden. Ein Mensch, der die Welt verachtet, Unglück und Zerstörung über sie bringen soll. Vater Shōzō Kuki folgt damit einer Tradition der Familie: der jüngste Sohn muss der Bestimmung des absolut Bösen folgen. Doch zunächst kommt das Waisenmädchen Kaori ins Haus. Ein Kind im Alter von Fumihiro, das nur zu einem Zweck aufgenommen wurde: Fumihiro die Hölle zu zeigen. Sie soll das Opferlamm sein, zu dem sich die Männer des Hauses nichtsdestotrotz hingezogen fühlen. Auch Fumihiro verliebt sich in das Mädchen, und seine Liebe wird erwidert. Als er diese Liebe jedoch zu retten versucht, macht er sich seinen Vater zum Feind in einem Kampf, den der Sohn nicht gewinnen kann.

Es ist ein starker Aufschlag, den Nakamura hinlegt. Die Kinder, ein grausamer Vater, verschüchterte Hausangestellte und ferne Brüder und Schwestern, die dubiosen Geschäften nachgehen, lassen Dunkleres ahnen. Es geht auch nicht gut weiter mit Kaori und Fumihiro. Ein Zeitsprung von rund 15 Jahren katapultiert uns in die Gegenwart. Fumihiro ist längst ein anderer. Um seiner Vergangenheit zu entkommen, hat er nicht nur die Identität eines Toten angenommen, sondern auch dessen Gesicht. An diesen Kōichi Shintani muss er sich gewöhnen, und es gelingt besser als erwartet. Aber auch dieser Mann hatte eine Vergangenheit, deren Schatten in die Gegenwart reichen. Was im Einzelnen geschah, und auch was geschieht, lässt Nakamura allerdings weitgehend im Nebulösen. Fumihiro, jetzt Shintano, geht auf die Suche nach Kaori, die er aus den Augen verloren hat. Der angeheuerte Detektiv ist gut, aber genauso halbseiden wie alle Figuren in diesem undurchsichtigen Spiel. Warum, wieso und wer was wann wie herausfindet, bleibt unklar. Nakamuras Idee – sie schwächelt ab der Mitte des Romans, obwohl die Geschichte immer mysteriöser wird. Dinge gelangen ans Tageslicht, von denen niemand weiß, wie sie herausgefunden wurden. Ein Bruder Fumihiros taucht auf, der in die Fußstapfen des Vaters getreten ist. Und sei dies nicht genug, treibt eine kuriose Terrorgemeinschaft ihr Unwesen, die wahllos mordet, Anschläge verübt und Japan in Angst und Schrecken versetzt.

Zunehmend konzentriert sich Die Maske auf Fumihiro, der in seiner Fixiertheit auf Kaori manchmal wie apathisch, bisweilen gewissenlos dahintreibt. Er ist ein „missglücktes Geschwür“, das sich seiner Rolle widersetzt, aber keine eigene gefunden hat. Nakamuras Held bleibt blass, ohne Tiefe, aber doch menschlich. Er ist kein Superheld. Angst und Einsamkeit sind Teil seines Lebens. Der Mord an einem Menschen nichts, das man einfach wegsteckt. Kaori ist das Mantra seines Seins. Der Chirurg, der ihn operierte, und Kyōko, eine Barbekanntschaft, sind Randfiguren, die so etwas wie menschliche Wärme abstrahlen und in der Kälte des Geschehens erstarren müssen. Alles in allem hat sich Fuminori Nakamura in seinem Roman viel vorgenommen. Dabei ist ihm leider schnell die Puste ausgegangen. Übrig geblieben ist ein japanischer Noir, der in Grau verläuft.

Fuminori Nakamura
Die Maske
Diogenes Verlag, Zürich 2018
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Coverabbildung © Diogenes Verlag

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