Die Sopranistin Kateryna Kasper und Pianist Hilko Dumno entführen auf ihrem aktuellen Album den Zuhörer in Kinder- und Märchenländer. Barbara Hoppe sprach mit der Sängerin.
Feuilletonscout: Es geht in erster Linie nicht um „Berühmtheit“ oder „Perfektionismus“, sondern ums Humane, Originelle, Individuelle, heißt es in den Statuten von TYXart, dem Label, wo Ihre aktuelle CD erschienen ist. Wie sehen Sie in diesem Kontext Ihr Album?
Kateryna Kasper: Ich bin sehr froh, dass dieses Album bei dem Label TYXart erschienen ist. Ich finde ihre Konzepte ausgesprochen sympathisch und ihre Überzeugungen sehr wichtig für die weitere Entwicklung der CD-Branche. Zu entscheiden, wie originell diese CD ist, liegt nicht bei dir. Sie ist sehr individuell, allein durch die Zusammenstellung der Lieder, die auf der CD so etwas wie einen Zyklus bilden. Nicht nur jedes einzelne Lied malt uns eine Geschichte, sondern sie alle zusammen malen in meiner Phantasie ein großes Gemälde mit allen möglichen Farben. Auch kann ich mir einen Vergleich mit einem Buch vorstellen, das eine Lebensgeschichte erzählt.
Feuilletonscout: Nach welchen Kriterien haben Sie die Stücke ausgewählt?
Kateryna Kasper: Die Poesie und die Musik der Romantik waren eine unerschöpfliche Quelle für uns in der Zusammenstellung des Programms. Ich war gefesselt von der Idee, ein durchgehendes Programm zu bauen, wie einen Zyklus, der eine Geschichte erzählt. Es sollte eine Reise durch das Leben werden. Die Lieder selber haben mir manchmal die Geschichte geschrieben. Im ersten Teil sollten die Lieder möglichst anschaulich, farbenreich und lebensnah die Welt eines Kindes aus seiner Perspektive vermitteln (aber für einen Erwachsenen, quasi in der Erinnerung an die eigene Kindheit). Im zweiten haben wir nach verschiedenen Mythen-Gestalten gesucht. Von denen gibt es zum Glück auch sehr viele in der romantischen Musik. Im dritten Teil finden sich viele eher bekannte Lieder wieder. Sie stellen verschiedene romantische Betrachtungen über das Leben allgemein an. Die Flüchtigkeit der Zeit, das Gefangensein im Hier und Jetzt und das paradoxe Sehnen nach dem fernen Land und der Heimat zugleich sind einige Motive. Im ersten Teil geht es um die Erinnerung an die Vergangenheit, im dritten Teil um ein Sehnen nach einer (ebenfalls unerreichbaren) Zukunft. In Kürze: Es geht um Romantik.
Feuilletonscout: Was verbinden Sie persönlich mit den Liedern? Was bedeutet für Sie eine Rückkehr in Kinder- und Märchenländer?
Kateryna Kasper: Eine Rückkehr in Kinder- und Märchenländer ist für mich wie eine lange spannende innere Reise, zurück zu den Ursprüngen, in die Gefühlswelten, die mich bereichern und inspirieren.
Feuilletonscout: Was war Ihnen bei der Aufnahme bzw. Interpretation wichtig?
Kateryna Kasper: Das Streben und Suchen nach Ausdruck war mein größtes Anliegen in dieser Aufnahme. Wir haben uns dabei teilweise von historischen Aufnahmen inspirieren lassen, um unsere eigene Darstellung so lebendig, vielseitig und anrührend zu machen wie möglich. Bewusst haben wir mit unserem wunderbaren Tonmeister Johann Steinecker manche „Rauheiten“ in Klang und Tempo auch in der Postproduktion gesucht. Ich wollte, dass der Hörer ganz nah dabei sein kann, dass solche Details wie „Atmer“, eine zischende Artikulation etc. die Musik möglichst lebendig und sprechend werden lassen.
Feuilletonscout: Die Aufnahme entstand im Richard-Wagner-Museum in Bayreuth. Was war das Besondere an diesem Ort?
Kateryna Kasper: Wir wollten für diese CD gerne ein echtes romantisches Instrument aus „vergangenen“ Zeiten haben. Damit bekommt der Titel der CD eine doppelte Bedeutung: In Gedanken zurück in die (eigene) Kindheit und musikalisch „zurück“ in die Klangwelt der Romantik –beides natürlich nur als Versuch. Hilko Dumno kannte das Instrument bereits von früheren Liederabenden und war sofort verliebt. Der Klang des Instrumentes entführt einen wirklich in das 19. Jahrhundert. Dieser Flügel ist ein persönliches Geschenk der Firma Steinway aus New York an Richard Wagner aus dem Jahr 1876. Für manche Ohren klingt er etwas ungewohnt, da er nicht so „hochglanzpoliert“ klingt wie die Instrumente der heutigen Zeit, aber im Grunde hat er bereits eine „moderne“ Flügelmechanik. Wie Hilko Dumno sagt, diesen Flügel zu spielen ist vom Gefühl her so, wie mit einem Oldtimer durch die Toskana zu fahren: Man bekommt mehr von der Landschaft mit. Und eine gewisse Ehrfurcht erfasst einen bei dem Gedanken, welche Persönlichkeiten darauf bereits musiziert haben: darunter Franz Liszt, Hans von Bülow, Hans Richter und Richard Wagner selbst.
Feuilletonscout: Was sollen die Hörer in Erinnerung behalten, nachdem Sie ihre Aufnahme gehört haben?
Kateryna Kasper: Ich hoffe, dass der Hörer ganz in die Welt dieser Musik, in die Welt des jeweiligen Liedes eintauchen kann und sich auf seine eigene persönliche Reise durch die eigene Phantasiewelt begibt. Was in Erinnerung bleibt kann ich nicht beeinflussen, ich kann nur die Türen öffnen und einladen. Man kann natürlich auch einfach die Klänge genießen und dabei im Hier und Jetzt bleiben, da mache ich keine Vorschriften.
Feuilletonscout: Wie sind Ihre nächsten Pläne?
Kateryna Kasper: Neben meiner Tätigkeit als Opernsängerin (darunter neue Partien wie Ilia in Mozarts Idomeneo und Gilda in Verdis Rigoletto) beschäftige ich mich weiter mit dem Lied. Unser neues Herzensprojekt zusammen mit dem Pianisten Dmitry Ablogin ist die Musik der Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn. Viele auch wenig bekannte Lieder haben wir auf einem wunderschönen Biber-Hammerklavier von 1835 aufgenommen, darunter auch einige Ersteinspielungen. Absolute Juwelen! Dieses Instrument ist übrigens mit einem modernen Flügel wirklich gar nicht zu vergleichen. Es dauert also hoffentlich nicht mehr allzu lang, bis mein nächstes Liedalbum bei TYXart herauskommt.
Vielen Dank für das Interview, Kateryna Kasper!
Kateryna Kasper (Sopran) / Hilko Dumno (Piano)
O wüßt ich doch den Weg zurück… – Lieder von Kinder- und Märchenländern
Tyxart 2018
CD kaufen oder nur hineinhören
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.