Fünf Jahre im Leben von W. A. Mozart, drei Werke, drei Städte, unendliche Vielfalt des musikalischen Esprits – all das erlebten die Besucher der letzten Mozartmatinée. Das Mozarteumorchester und sein Ex, ein Moskauer Pianist und die virtuosen Vorführungen von Soloinstrumenten begeisterten die Zuhörer. Ein Problem freilich stand unüberhörbar im Raum. Von Stephan Reimertz.
»Bin ich zu laut?« ist eine Frage, die Liedbegleiter oft stellen. Einer von ihnen hat gar seine Autobiographie so benannt. Freilich sollte sich jeder Musikant, jedes Ensemble dies fragen. Das Mozarteumorchester unter seinem früheren Direktor Ivor Bolton (2004-2016) war bei der letzten Mozartmatinée der Festspiele jedenfalls viel zu laut. Die Streicher und, soweit möglich, auch die Bläser hätten halbiert werden müssen, um einen für den filigranen Großen Saal des Mozarteums in Salzburg erträglichen Klang zu erzeugen. Der Neorokokosaal ist für Kammermusik bis hin zum Kammerorchester geeignet, nicht aber für ein modernes Symphonieorchester mit zeitgenössischen Instrumenten, von denen jedes vielfache Durchschlagskraft seines historischen Vorbildes besitzt. Für ein Orchester, das den Namen Mozarts ebenso trägt wie die gastgebende Institution, schickt sich ein dermaßen gedankenloses Drauflosmusizieren kaum. Als hätten wir nicht Jahrzehnte der Reflexion über Aufführungspraxis und über das Austarieren von Klang und Raum hinter uns, donnerte Ivor Bolton mit seinem früheren Orchester drei Kompositionen Mozarts in den Raum, als ob die Musikanten sich in der Arena von Verona befänden.
Übers Knie gebrochen
Die Medialisierung der Musik auf Tonträgern und in Übertragungssystemen und ihr Missbrauch bei elektronisch verstärkten Freiluftkonzerten hat offenbar bei Musikern und Zuhörern zu einer neuen Art von Schwerhörigkeit im musikalischen wie auch im rein physischen Sinne geführt. Übersteuert, klirrend und plärrend, so klangen die drei Kompositionen, und Aleksandr Markowitsch Melnikow trug als Pianist dazu bei, als er Mozarts Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur KV 453, 1784 in Wien komponiert, auf einem Steinway-Donnerkeil in den Saal hämmerte. Kapellmeister Bolton wirkte in seiner zugleich kindlichen und onkelhaften Agogik wie ein Aufziehkönig aus der Spielkiste von E. T. A. Hoffmanns Nußknacker. Sein Auftritt irritierte schon sehr. Er dirigierte ohne Stab, und die subtile Sprache seiner feinen Hände traten nicht allein in Widerspruch zu den ruckartigen Bewegungen seines Oberkörpers, sondern formten die Musik aus dem Nichts und boten den wesentlichen ästhetischen Reiz der Veranstaltung.
Zu grob, zu unsubtil
Das Klavierkonzert war gerahmt von der »Pariser« Symphonie D-Dur KV 297 (300a), 1778 in Paris komponiert, und der sog. Posthornserenade, zum Semesterende 1779 in Salzburg geschrieben. Diese Serenade für Orchester No. 9 in D-Dur KV 320 ist als sogenannte Finalmusik den Salzburger Studenten gewidmet und enthält am Ende virtuose Soli von Flöte, Oboe, Piccolo und einem kleinen »Posthorn«. Die Auftritte der Solisten waren musikalischer Höhepunkt des Konzerts. Natürlich kann man eine Serenade bei einer Matinée spielen, sollte sich jedoch des Charakters der Komposition als einer Abendmusik innebleiben. Für solche Überlegungen war im unsubtilen und affirmativen Charakter dieses Konzerts jedoch kein Platz.
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