Max Emanuel Cencic interpretiert Arien von Georg Friedrich Händel, die er für Senesino komponierte. Ein denkwürdiges Galakonzert beglückte ein weitergereistes Publikum aus aller Welt. Von Barbara Röder.
Er lebt ein extravagantes, farbiges Künstlerdasein, hat ein immenses Können und ist künstlerisch mit mannigfachen Talenten gesegnet: Max Emanuel Cencic. Beim Bayreuth Baroque Festival feierte der ideenreiche Ausnahmesänger, Regisseur und Festival-Intendant sein 40-jähriges Bühnenjubiläum.
Den Mezzo-Countertenor Cencic zeichnet die Liebe zur Barockoper aus. Insbesondere gelten seine Aufmerksamkeit und seine Zuneigung der Neapolitanischen Opera. Zudem weckt er in uns Zuhörern und Zuschauern ungeheure Lust, ein wenig mehr als verrückt zu sein, Spaß und Freude zu haben mit immensem Tiefgang selbstverständlich. Cencic entdeckt und zeigt uns Welten, in denen unsere barocken Vorfahren lebten, mit den Augen eines überschwänglich lebensfrohen Kreators. Er verzaubert und bannt auf die Opernbühne das, was Jahrhunderte unentdeckt in den Archiven schlummerte: Partituren, die als Kleinode barocker Gesangskunst den Kenner und Liebhaber überraschen.
Beim Bayreuth Baroque Festival 2022 beschenkte der begnadete Countertenor sein internationales Publikum mit einem feinen Galakonzert, das er ganz und gar der Musik Georg Friedrich Händels und dessen von Ruhm umflorten Edelkastraten-Star Senesino widmete. Dieser wurde als bester Altkastrat seiner Zeit umworben, gefeiert und für seine Launen und Kapriolen gefürchtet. Er galt als die Popikone des Barock.
Die Senesino-Arien, die Max Emanuel Cencic ausgesucht hatte, sind ihm in die Gurgel geschrieben, um ganz kühn mit Mozart die sängerischen Qualitäten des gefeierten Counters Cencic zu beschreiben. Zudem ist er ein hoch virtuoser, feinfühliger Interpret. Seine Stimme klingt einzigartig delikat wie ein altes historisches Instrument. Eine Amati oder Stradivari wäre ein guter, passender Vergleich. Im Laufe seiner langen Karriere hat sein Mezzo dunklere Fülle mehr Tiefe erhalten, ohne die luftigen Höhen zu vernachlässigen.
Wunderbare Arien aus „Radamisto“, „Giulio Cesare“, „Poro, „Ricardo Primo“, „Orlando“, „Tolomeo“ und “Ezio“, die Händel Senesino in den Schlund und unter die Haut komponiert hatte, sang Cencic mit erfüllter Liebe zum Komponistengenie Händel. Es sind „Kabinettstücke musikalischer Charakterisierungskunst“, die den kriegerischen „Giulio Cesare“ oder den leidend kämpferischen „Tolomeo“ gesanglich zum Leben erweckten. So manche Träne habe ich in den Augenwinkel und die Wange herunter rinnen sehen, als Cencic die todessehnsüchtige Arie „Stille amare“, (Bittere Tropfen, ich fühle euch schon alle in meiner Brust den Tod herbeirufen). Wahrhaft, so mag es damals auf der Londoner Bühne der Royal Akademie of Music geklungen haben.
George Petrou dirigierte beherzt und feurig das Originalklangorchester Armonia Atenea. Cencic und seine Musiker werden für diesen beeindruckenden Galaabend mit heftig lautem Applaus gefeiert.
Auf Arte ist die Liveaufnahme des Konzerts, das am 10. September 2022 im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth stattfand, glücklicherweise bis September 2023 hier abrufbar.
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