Von Barbara Hoppe
Es gibt Verlage, die man immer wieder gern in den Vordergrund rückt. Und zwar deswegen, weil sie nicht zu den großen Häusern gehören, die entweder alteingesessen oder in aller Munde sind, weil sie Bestseller oder Populärliteratur herausbringen, sondern weil sie klein und fein ein exquisites Angebot ausgewählter Literatur hervorbringen. Ein solcher Verlag ist Das kulturelle Gedächtnis. Hier werden Bücher verlegt, „die zurückblicken, um nach vorne zu schauen“. Bücher, die wieder oder erstmals nach vielen Jahren, manches Mal sogar nach Jahrhunderten, neu übersetzt und veröffentlich werden. Seit der Verlagsgründung im März 2017 sind acht hochkarätige Werke erschienen, von denen „Der Fanatismus oder Mohammed“ von Voltaire im letzten Herbst von der Stiftung Buchkunst zu einem der 25 schönsten Bücher des Jahres gekürt wurde. Nun liegt das Frühjahrsprogramm vor, und wieder staunt man, mit wie viel Geschick die Macher ihre Auswahl trafen.
Das Ende der Weißen Rose und die Frage, wem ihr Andenken gehört
75 Jahre, nachdem Hans und Sophie Scholl das entscheidende Flugblatt verteilten, das ihr Todesurteil war, lesen wir heute den erstmals kurz nach Kriegsende erschienene und heftig umstrittene Roman „Es waren ihrer sechs“ von Alfred Neumann. 1944 zunächst auf Englisch publiziert, löste seine Veröffentlichung im Nachkriegsdeutschland einen Skandal aus, wagte der deutsche Exil-Autor es doch, einen Roman über die Mitglieder der Weißen Rose zu schreiben – aus der Ferne, mit erdachten Biographien und durchaus mit ambivalenten, zerrissenen Charakteren. Mitglieder der Familie Scholl empörten sich ebenso wie Rezensenten. Die Neuauflage des Romans enthält dankenswerter Weise auch die Dokumente dieser Debatte.
Ein Gesellschaftsexperiment im Jahr 1890
Ist es möglich, in einer selbstorganisierten Gemeinschaft zu leben, mit freier Liebe, selbst gewählter Arbeit, ohne Krieg, Neid und Missgunst, freier Liebe und ohne patriarchale Hierarchien? Giovanni Rossi, Veterinär, Agronom und Anarchist, wagte den Versuch 1890 in Brasilien. Und siehe da: Es klappte. Es waren die äußeren Umstände, die das Projekt vier Jahre später scheitern ließen, nicht die Gesellschaftsform. Seinen Bericht lesen wir in „Cecilia. Anarchie und freie Liebe“.
Deutschland und der Dschihad
Kriegsgegner besiegen, indem man mit einheimischen Kämpfern und gezielten Terroranschlägen die Kolonien von innen schwächt – das war der Plan der Deutschen im Ersten Weltkrieg. Erdacht hat ihn der Orientalist Max von Oppenheim, Spross aus der berühmten Bankiersfamilie. Die von ihm verfassten Dokumente zum strategischen Einsatz von Terror sind nun erstmals unter dem Titel „Denkschrift betreffend die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde“ erschienen.
Im Gegenschuss
Die Reihe wird fortgesetzt mit den zwei Grundlagentexten „Heilzauber & nützliche Geheimnisse“ von Johann Wallbergen und „Giftmord“ von Lewis Lewin. Während ersterer seine Zeitgenossen vor unseriösen magischen Schriften schützen wollte, erzählt letzterer über die „Gifte in der Weltgeschichte“.
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