- Geschichte als Gegenwart
- Das rote Haus
- Kunst im Tunnel, auf der Fassade, im Garten
- Inventur und Epilog
- Berlin Autumn Salon 2025: ЯE:IMAGINE begins
Von Barbara Hoppe
Wenn sich am 2. Oktober die Türen des Maxim Gorki Theaters zum 7. Berliner Herbstsalon öffnen, kann Shermin Langhoff auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. 2013 initiierte sie zum damaligen Start ihrer Intendanz das Festival. Mit dem diesjährigen Herbstsalon läutet sie ihre letzte Spielzeit ein. „Ich wünschte mir natürlich ein vielstimmiges Spektakel zur Eröffnung des Gorki und dem Umzug des postmigrantischen Theaters aus dem Ballhaus Naunynstraße in die Mitte der Stadt, umgeben von Institutionen der Nationwerdung“, erinnert sie sich. Das Gebäude, 1827 fertigstellt, war über Jahrzehnte Sitz der Singakademie, in der erstmals Frauen und Männer zusammen sangen, Mendelssohn-Bartholdy führte hier Bachs Matthäuspassion das erste Mal in einem weltlichen Gebäude auf und 1848 tagte die erste aus freien Wahlen hervorgegangene preußische Nationalversammlung in den Räumen. „Ein solcher Ort zwingt einen geradezu, auch andere Künste einzubeziehen“, befand die Intendantin.
Geschichte als Gegenwart
Der Name verweist auf Herwarth Waldens „Deutschen Herbstsalon“ von 1913, der 100 Künstlerinnen und Künstler des Expressionismus aus der ganzen Welt versammelte. Kunstschaffende, die schon wenige Jahre später verfolgt wurden. „Wir haben allen Grund, beim Berliner Herbstsalon Geschichte persönlich zu nehmen. Wir schauen mit ihm auf die Gegenwart, um uns aufzumachen, von hier aus, aus der Mitte Berlins, nach einer besseren Zukunft zu suchen“, führt Langhoff aus.

Das rote Haus
Herzstück und Auftakt des diesjährigen Salons unter dem Titel ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE ist Ersan Mondtags Inszenierung „Das rote Haus“. Sie knüpft an die Geschichte des Telefunken-Wohnheims in der Stresemannstraße 30 an, wo in den 1960er-Jahren angeworbene türkische Arbeiterinnen lebten. „Wie bereits in früheren Projekten, interessieren mich Lebensgeschichten aus jener Generation türkischer Arbeitenden, die zum Wiederaufbau Deutschlands ins Land kamen und für ihre Leistungen wie für ihre individuellen Erfahrungen nie gewürdigt wurden“, erläutert Mondtag. Die ehemaligen Bewohnerinnen wurden zu Schriftstellerinnen, Aktivistinnen, Künstlerinnen – darunter Emine Sevgi Özdamar oder Filiz Taşkın, deren Biografien zusätzlich in einer Ausstellung erlebbar werden. „Aus diesem Stoff entwickeln wir ein Stück über Heimat und Fremdheit sowie eine Betrachtung der deutschen Geschichte bis in die Gegenwart aus der Perspektive von Akteurinnen, die um ihre Anerkennung lebenslang kämpfen mussten“, erläutert der Regisseur den Kern des Theaterstücks.
Kunst im Tunnel, auf der Fassade, im Garten
Der künstlerische Bogen des Herbstsalons ist weit gespannt: Werke von bankleer, Marta Górnicka oder auch Delaine und Damian Le Bas sind dabei, Performances laden ein, in den Lindentunnel hinter die Neue Wache zu steigen. Die Foyers und der Garten werden ebenso bespielt wie der Kiosk und die Fassaden. Künstlerinnen wie Züli Aladağ, Zehra Doğan oder Gülsün Karamustafa seien vertreten, dazu Emine Sevgi Özdamar mit erstmals gezeigten Selbstporträts, fasst Shermin Langhoff einige Highlights zusammen.
Inventur und Epilog
„Das Publikum ist ebenso wie die Künstlerinnen zu Rückblick und Bestandsaufnahme der Themen, kulturellen Praxen und Kämpfe der vergangenen Dekade, also einer Inventur, ebenso eingeladen wie zum Dialog, Widerspruch, Intervention bei vielen partizipativen Performances“, formuliert Langhoff die Mission des Festivals und freut sich gleichzeitig auf den Epilog des 7. Berliner Herbstsalons, der im Mai 2026 in Istanbul stattfinden soll – 65 Jahre nach dem Anwerbeabkommen zwischen der Türkei und Deutschland.
| 7. Berliner Herbstsalon | ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE Inventories / Interventions / Invention |
| 2. Oktober bis 30. November 2025 | Maxim Gorki Theater Berlin |
Was den 7. Berliner Herbstsalon besonders macht:
- Ersan Mondtags „Das rote Haus“ als Auftakt
- Performances im Lindentunnel und auf Fassaden
- Emine Sevgi Özdamars Selbstporträts erstmals gezeigt
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Dieser Artikel erschien ebenfalls in der Kulturbeilage „Berliner Bühnen“ der Berliner Morgenpost, Oktober 2025.
Berlin Autumn Salon 2025: ЯE:IMAGINE begins
On October 2, the 7th Berliner Herbstsalon opens at the Maxim Gorki Theater – Shermin Langhoff’s final season as artistic director. Founded by her in 2013, the festival connects history, present, and future. Titled ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE, it begins with Ersan Mondtag’s play “Das rote Haus,” exploring the lives of Turkish women workers in the 1960s Telefunken dormitory. Their stories – including Emine Sevgi Özdamar and Filiz Taşkın – are also featured in an exhibition.
The Herbstsalon spans artistic formats from performances in the Lindentunnel to façade installations. Works by bankleer, Marta Górnicka, Delaine and Damian Le Bas, and Özdamar’s self-portraits enrich the program. The foyer, garden, and kiosk become stages, with artists like Züli Aladağ, Zehra Doğan, and Gülsün Karamustafa participating.
Langhoff invites reflection on postmigrant struggles and cultural practices of the past decade. The festival’s epilogue will take place in Istanbul in May 2026 – marking 65 years since the German-Turkish recruitment agreement.



