Von Barbara Hoppe.
Der österreichische Autor, dessen Werke von Beginn an im Diogenes Verlag erscheinen, schreibt seit 35 Jahren Romane, Erzählungen und Geschichten, die auf wahren Begebenheiten beruhen. Schon sein Debütroman „Auroras Anlaß“ erhielt 1989 den „Aspekte“-Literaturpreis des ZDF. Die Nachfolgeerzählung „Abschied von Sidonie“ basiert auf ein von Hackl erstelltes Drehbuch und ist bis heute Schullektüre.
Ausgangspunkt seiner Texte sind authentische Fälle. Die Quellen dazu sind Zeitzeugen, nicht selten die Betroffenen selbst oder nahe Freunde oder Verwandte. Entscheidend, und das macht den Autor gerade heute wieder hochaktuell, ist sein immer wiederkehrendes Hauptthema. Es geht um Zivilcourage. Das, nachdem heute immer wieder gerufen wird, hatten die Protagonisten bei Erich Hackl. Häufig sind sie Überlebende des Dritten Reichs. Überlebende als Juden oder aber auch als diejenigen, die still, einfach und unprätentiös sich dem Wahnsinn nicht beugten und Menschlichkeit walten ließen. Sie nahmen ein Romakind auf, wie in „Abschied von Sidonie“, auch wenn sie es nicht retten konnten, oder versteckten Juden, wie im aktuellen Bändchen „Am Seil“. Eine Heldengeschichte nennt Erich Hackl die Erlebnisse um Regina Steinig und ihre Tochter Lucia, die der ruhige Kunsthandwerker Reinhold Duschka versteckte und damit vor der Deportation bewahrte. Eine vier Jahre währende Schicksalsgemeinschaft, geprägt von Angst, Vorsicht und gegenseitigem Vertrauen. Es war Lucia, die diesem stillen Wiener und passionierten Bergsteiger ein Denkmal setzen wollte. Und Erich Hackl wird der Denkmalsetzung gerecht, lässt die Menschen von damals und ihre Nachkommen zu Wort kommen. Mit seinem eigenen Stil – eine Art Dokumentarerzählung – schafft er Nähe und Distanz gleichermaßen. Denn gerade das Nüchterne seiner Sprache erschüttert. Und gleichzeitig ist Erich Hackl auch Botschafter, deutet sparsam eigene Gedanken an. Nicht, um die Wahrheit zu glorifizieren, sondern um aufzurufen.
„Am Seil“ ist ein einziger Appell an Menschlichkeit und Zivilcourage, an „Wir dürfen nicht vergessen“ und für den ewigen Kampf um Freiheit. Zu Recht erhielt er 2017 den Menschenrechtspreis des Landes Österreich. Wir brauchen Autoren wie Erich Hackl. Und wir brauchen Menschen, die dem, was sie zu sagen haben, Öffentlichkeit geben.
Erich Hackl
Am Seil
Eine Heldengeschichte
Diogenes Verlag, Zürich 2018
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