Rezension von Barbara Hoppe.
Es ist eine Geschichte, wie sie zwischen Mann und Frau täglich auf dieser Welt hundertfach passiert. Und natürlich passt eine solche Geschichte in einen schmalen Roman von gerade mal 94 Seiten wie „Rose Royal“ des französischen Schriftstellers Nicolas Mathieu. 2018 erhielt der damals Vierzigjährige den renommierten Prix Goncourt für „Wie später ihre Kinder“.
In seinem aktuellen Buch, eben jener schmale Band, stellt er uns Rose vor. Ende vierzig, Assistentin der Geschäftsführung, gut aussehend, bisweilen sexy, aber auch nicht mehr taufrisch, verbringt sie ihre Abende am liebsten in der Kneipe von Fred, dem Royal, wo ab und an ihre Freundin Marie-Jeanne auftaucht und den Gästen die Haare schneidet. Das Leben hält für die Frauen keine Überraschungen mehr bereit. Mit den Männern sind sie mehr oder weniger durch. Ehe, Kinder, Liebschaften liegen hinter ihnen. Die Männer haben sich irgendwann zu langweiligen Typen entwickelt, die in einem plötzlichen Gewaltakt ihrem Frust freien Lauf gelassen haben. Seitdem trägt Rose einen Revolver in ihrer Handtasche. Damit sie keine Angst mehr haben muss.
Doch als sie Luc kennenlernt spürt sie, dass mit ihm etwas anders ist. Er ist zurückhaltend, macht nicht viele Worte. Er weiß ihr schöne Tage zu bereiten. Der Alkohol verbindet beide noch mehr. Sie genügen sich gegenseitig. Er hatte nie wirklich Freunde, sie vernachlässigt ihre. In seinem schönen Haus auf dem Land lassen sie die Zeit verstreichen. Nur mit dem Sex klappt es nicht so richtig. „Wir kommen nie zum Ende“ bekennt Rose ihrer Freundin. Vielleicht liegt es am Alkohol, vielleicht aber auch an den Päckchen der Vergangenheit. Doch mangelnde Manneskraft war noch nie ein gutes Zeichen für funktionierende Beziehungen und eine gemeinsame Zukunft.
Doch „Rose Royal“ ist mehr als eine Beziehung mit ihren Krisen und Alltagsgeschichten. Nicolas Mathieu seziert das letzte Aufbäumen einer Liebe kurz vor dem Tod durch Altersschwäche. Glasklar und schnörkellos fasst er die fatale Dynamik einer Beziehung in Worte, über der von Beginn an das Schwert der Gewohnheit, der Kompromisse, des sich Fügens schwebt. In diesem Zusammensein ohne Empathie und Wärme, in der Überdruss und subtile Gewalt sich die Waage halten, schlägt das Pendel immer stärker auf die Seite von Luc, bis Rose fast unmerklich in eine Abhängigkeit gerät, in der Davongehen in dieser längst toxischen Beziehung keine Option mehr ist. Aber da ist ja noch der Revolver. Schon längst fragt man sich als Leser an dieser Stelle, wer zuerst schießen wird: Der schlummernde Vulkan Luc oder die beziehungsüberdrüssige Rose.
Nicolas Mathieu
Rose Royal
Hanser Berlin 2020
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