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Heinrich Steinfest: Mit Yves Klein nach Japan

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Literatur

Von Barbara Hoppe.

Als Klara Ingold von Wien nach München reist, um den überraschend aufgetauchten Nachlass ihrer Großmutter Helga Blume zu übernehmen, staunt sie nicht schlecht: Unter den Sachen der Künstlerin findet die Kunsthistorikerin, die in der Kunsthalle Wien als Museumswärterin arbeitet, ein Foto, das ihre Großmutter just in der Pose zeigt, die 1960 den französischen Künstler Yves Klein weltberühmt machen sollte: Der Sprung aus dem Fenster im ersten Stock, scheinbar auf die blanke Straße. Nur, dass Helga Blumes Foto bereits 1957 entstanden war, kurz bevor die Künstlerin spurlos verschwand, Kind und Mann zurücklassend.

Spuren zwischen Wuppertal und Japan

Dieser „Sprung ins Leere“ ist nicht nur Titel des Romans von Heinrich Steinfest, sondern auch Ausgangspunkt einer Suche, die Klara bis nach Japan führt. In Wuppertal, dem „Tal der Wupper“, mit seinen engen steilen Straßen, zahlreichen Treppen, viel Grün und einer „märchenhaften Anmutung“ durch die sich die Schwebebahn schlängelt, findet Klara erste Hinweise. Ein Foto zeigt ihre junge Großmutter in Magome, eine „der Stationen an der alten Fernstraße, der Nagasendō, die während der Edo-Zeit die Orte Kyotō und Edo, das heutige Tokyo, miteinander verbunden“ hat.

Kurz entschlossen reist Klara nach Japan. Ihre Reise beginnt im Tokyo Fuji Art Museum, wo neben Gemälden so weltberühmter Künstler wie Monet, Klimt und Lukas Cranach auch Bilder japanischer Meister hängen, darunter „The Blind Cook“. Ein Motiv, für das Klaras Großmutter offenbar Modell gestanden hatte. Kreuz und quer durch Japan folgt Klara den Spuren, bis zu den Vulkaninseln Aogashima und Hachijō-jima im Pazifik und dem Küstenort Nishiizu.

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Zwischen Bond und Murakami

Heinrich Steinfest wäre nicht Heinrich Steinfest, würde diese Reise nicht eine Kette an außergewöhnlichen, kuriosen und mehr als abenteuerlichen Ereignissen bereithalten. Lakonisch, wie beiläufig kommentierend, lässt der Autor seine Protagonistin und ihre Begleiter absurde und skurrile Abenteuer bestehen, die irgendwo zwischen James Bond und Haruki Murakami mäandern, zwischen actiongeladenen Verfolgungsjagden und surrealen Zufällen.

Ein Kästchen, viele Geheimnisse

Denn ein kleines, geheimnisvolles Kästchen aus dem Besitz von Helga Blume, das nun im Handtäschchen ihrer Enkelin ruht, ruft skrupellose Gangster auf den Plan. Wäre da nicht ein Filmregisseur, der Klara unbedingt für sein neues Werk gewinnen möchte – Klara würde nicht lange leben. Dass bei aller Spannung für die eigentliche Geschichte auch die vermeintlichen Nebenfiguren Hauptdarsteller sind, macht den Roman noch lesenswerter, ohne dabei je das Gefühl zu vermitteln, abzudriften oder sich in Nebenhandlungen zu verlieren. Es ist Steinfests einzigartige Mischung aus Distanz und feiner Ironie, gepaart mit großer Erzählkunst, die aus der Auswahl seiner Worte und die Art, wie er sie zusammenfügt, eine ganz eigene Melodie zaubert.

Heinrich Steinfest
Sprung ins Leere
Piper Verlag, München 2024
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Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Der Artikel erschien ebenfalls als Literarisches Reiserätsel in Das WOCHENENDE! (Frankfurter Neue Presse, Frankfurter Rundschau und FAZ Rhein Main Zeitung), 27. April 2024.

Heinrich Steinfest: Yves Klein and a trip to Japan

When Klara Ingold travels from Vienna to Munich, she discovers a photograph in her grandmother Helga Blume’s estate: a jump from a window—years before Yves Klein’s iconic “Leap into the Void.” The photo, taken in 1957, predates Helga’s mysterious disappearance.

Curious, Klara follows clues from Wuppertal to Japan. In Magome, along the historic Nakasendō road, she finds another photograph. At the Tokyo Fuji Art Museum, a painting—“The Blind Cook”—features her grandmother as a model.

Thus begins a breathless journey through Japan, across volcanic islands and coastal towns, shadowed by a mysterious box and pursued by dangerous figures. Klara is drawn into a world of espionage, filmmaking, and surreal encounters.

With subtle irony, Heinrich Steinfest tells a tale of hidden lives, lost art, and a woman tracing her roots through layers of fiction and history.


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