Feuilletonscout-Autor Stefan Pieper hat sich das Album angehört und ist begeistert
Sabine Weyer, Pianistin aus Luxemburg, plant ihre Karriere in logischen Schritten. Ihr CD-Debut war ein Solo-Recital. Part zwei folgt aktuell mit einem Kammerorchester, danach soll es ans sinfonische Repertoire gehen. Aber warum an lange Entwicklungen denken, wenn der vorhandene aktuelle Tonträger so bezwingende Höreindrücke liefert? Sabine Weyer und die Berliner Camerata kann man hier durchaus als Traumkonstellation bezeichnen!
Zur Philosophie dieses hochmotivierten Kammerorchesters gehört eine betont durchlässige Rollenverteilung zwischen Solist und Orchester. Das gilt hier auch für die Pianistin Sabine Weyer, die mit ihrem pulsierenden, hochenergetischen Spiel selbstbewusst führt, aber auch als unbestechliches Basso Continuo für Rückgrat und Bodenhaftung sorgt.
Das Thema der CD ist das Verhältnis zwischen Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn-Bartholdy – und das könnte hier nicht besser die vorhandenen Potenziale der Konstellation Sabine Weyer plus Berliner Camerata zur Entfaltung bringen!
Zweimal auf den Punkt gebrachte Affekte. Zwei Mal eine kontrastreiche ABA-Struktur, in der vor allem ein lyrischer, fast schon romantischer Gestus für innige Ruhepole mittendrin sorgt. So funktionieren Johann Sebastian Bachs Konzerte für Piano und Streicher BWV 1055 und 1056.
Das erste Konzert mutet prachtvoll feierlich an, wird zwischendurch berückend innig. Das zweite Konzert wirkt noch gewichtiger, ja stürmischer und entfaltet in seinem Mittelsatz einen Hauch von Tragik. Die einzelnen Sätze blicken auch musikgeschichtlich in die Zukunft. Das gilt vor allem für das zweite Bach-Konzert mit seinem menuettartigen ersten Satz, dem von Sabine Weyer regelrecht balladenhaft ausgekosteten Adagio und einem scherzoartig vorwärtspreschenden, vertrackt gebauten Presto-Satz.
Dies sperrt Ohren und Sinne auf für Felix Mendelssohns d-Moll Violinkonzert. Mendelssohn als der große Wiederentdecker Bachs, als der feinsinnige Bewahrer polyphonischer und frühklassischer Diktion: Kann man einen solchen Aspekt treffender demonstrieren als es hier durch Sabine Weyer und die Berliner Camerata geschieht?
Hellsichtig gehen die Streicher aus Berlin mit dem fugenartigen ersten Thema in die Vollen. Sie breiten Streicherteppiche aus, stellen einzelne Figuren in kraftvollen Impulsen frei, um im nächsten Moment in süßlich kantablen Bögen das 19. Jahrhundert zu zelebrieren. So wird der rote Teppich würdig ausgerollt, auf dem Sabine Weyer und Olga Pak ihre Konversation entfalten. Beide stellen sich mit großer rezitativischer Geste einander vor, um sich dann zu umspielen, einander zu ergänzen und sich virtuos zu konfrontieren. Sphärisch, silbrig-glänzend, vor Leidenschaft bebend lässt Olga Paks Violinspiel die Klangfarben aufleuchten. Hellwach und impulsiv, reaktionsschnell und mit einer blitzsauber artikulierten Anschlagskultur „antwortet“ Sabine Weyer. Nach einem schwelgerisch singenden Adagio-Satz, verweist der dritte Allegro-Satz wieder mal auf Mendelssohns Bach-Prägung. Allein die extrem zupackende Klaviereinleitung von Sabine Weyer zu Beginn macht dies unmissverständlich klar! Man muss dem unerschöpflichen Ideenfeuerwerk des zum Zeitpunkt der Kompositionen dieses Konzerts gerade mal 14jährigen Musikgenies Mendelssohn schon eine Menge spielerischer Gewitzheit entgegenbringen.
Davon ist bei Sabine Weyer, Olga Pak und der Berliner Camerata beglückend viel vorhanden!
Bach/Mendelssohn
Sabine Weyer: Klavier
Olga Pak: Violine
Berliner Camerata
ARS Produktion 2017
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Ein ausführliches Interview mit Sabine Weyer und eine Hörprobe finden Sie hier.
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