Katharina S. Müller gehört zu den Ausnahmetalenten in der klassischen Musikszene: Mit gerade einmal Anfang 20 blickt sie schon auf eine reiche Kompositionstätigkeit zurück. Zu ihrem Repertoire gehören Kammermusik ebenso wie Konzerte und Musik für Tanztheater. Sie spielt Violine und hat auch schon selbst unterrichtet. Derzeit arbeitet sie mit dem Theater Plauen-Zwickau an Monteverdis Oper „L’Orfeo“. Barbara Hoppe sprach mit der Künstlerin.
Feuilletonscout: Bereits im vergangenen Jahr haben Sie im Theater Plauen-Zwickau die Musik zum Ballett „Happy Birthday“ beigesteuert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Haus?
Katharina Müller: Die Choreografin Annett Göhre war früher am Gärtnerplatztheater und später freischaffend in München tätig. Für „Happy Birthday“ hatte sie dort Fördergelder beantragt, bevor sie in Plauen-Zwickau Ballettdirektorin wurde. So wurde das Stück in einer Kooperation des Theaters mit dem Kulturreferat der Stadt München produziert – daher wurde auch explizit ein/e Komponist/in aus München gesucht. Eine Professorin der Münchner Musikhochschule hatte mich empfohlen und so bekam ich glücklicherweise direkt nach Abschluss meines Studiums diesen Auftrag.
Feuilletonscout: Nun hat am 31. Januar „L’Orfeo“ von Monteverdi wiederum im Theater Plauen-Zwickau Premiere. Sie sind für das Arrangement verantwortlich und haben auch das Originallibretto des unvertonten Bacchantinnen-Finales neu komponiert. Was war für Sie dabei die größte Herausforderung?
Katharina Müller: Eine große Herausforderung war die Balance und die Übergänge zwischen Monteverdis und meiner Musik: Das Original soll nicht unnötig zugekleistert werden, zugleich habe ich als Komponistin den Anspruch, nicht lediglich ein Arrangement abzuliefern, sondern auch Neues, Sinnhaftes einzubringen. Im Gespräch mit dem GMD sowie Regie und Dramaturgie fand sich dann eine Struktur, die die klanglichen Welten bestimmten Personen und Orten zuweist und mir sehr geholfen hat. Die Verfremdung beginnt beim Auftritt der Messaggiera im 2. Akt und nimmt stetig zu (wobei etwa Orfeo lange im barocken Gestus verbleibt), bis am Ende Monteverdis Musik im Apollinischen Schluss und meine Neukomposition für das Bacchantinnen-Finale aufeinanderprallen.
Feuilletonscout: Was gefällt Ihnen persönlich an „L’Orfeo“?
Katharina Müller: Ich schätze die Klarheit und zugleich die Raffinesse der Partitur. Der Aufbau von „L’Orfeo“ leuchtet unmittelbar ein: Fünf Akte mit einer mittigen Spiegelachse, die klare musikalische Trennung von Ober- und Unterwelt und die individuelle Charakterisierung der Figuren. Gleichzeitig ist es kein simples Hirtenspiel – Monteverdi und Striggio haben ihren Orfeo als komplexe mehrdimensionale Figur angelegt. Sie folgen nicht eindeutig dem Mythos des heldischen, genialen Sängers, der aus Liebe zu Eurydike die Unterwelt bezwingt. Vielmehr zeichnen Text und Musik ein teils widersprüchliches Bild, das auch die Lesart eines größenwahnsinnigen, scheiternden Musikers erlaubt. Dramaturgisch ist es dadurch ein besonders interessantes Stück, weil Raum für immer neue Interpretationen bleibt.
Feuilletonscout: Sie sind sehr vielfältig unterwegs, spielen Geige, haben bis vor kurzem auch noch unterrichtet. Wie war es für Sie, gemeinsam mit Dirigent, Regisseur, Sängerinnen und Sängern zu arbeiten?
Katharina Müller: Ihre Aufzählung deutet bereits an, dass ich sehr gerne mit Menschen zusammenarbeite! Komponieren ist wunderbar, trotzdem möchte ich mein Leben nicht nur am Schreibtisch verbringen. Daher genieße ich auch die Probenarbeit mit den Mitwirkenden sehr.
Im Voraus war ich wenig in die szenische, dafür aber umso mehr in die musikalische Arbeit eingebunden. Der neue GMD des Theaters, Leo Siberski, leitet das Stück auf eigenen Wunsch und mit ihm hatte ich auch während des Arrangierens und Komponierens ständig Kontakt. Er bringt viel Erfahrung in Produktionen, die über das klassische Musiktheater hinausgehen, mit und hat mich mit Offenheit und Inspiration durch die Arbeit begleitet – dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Feuilletonscout: Sind Sie vor der Premiere nervös?
Katharina Müller: Vermutlich wird gegen Ende die Spannung steigen, denn das neue Finale ist in dieser Vollbesetzung mit Chor, Solistinnen und Solisten und Orchester meine erste große Opernszene. Ansonsten überwiegen aber Gelassenheit und Vorfreude. Ich genieße es, eine Aufführung meiner Musik als Zuschauerin zu erleben – bei „Happy Birthday“ etwa war ich als Musikerin eingebunden und habe das Stück nie von außen gesehen.
Feuilletonscout: Verraten Sie uns etwas über Ihre kommenden Projekte?
Katharina Müller: Es bleibt szenisch: Am 28.2. und 1.3. gibt es am Theater Bremen eine Vorstellung der Jungen Akteure. „Stadt ohne Straßen“ basiert auf einem japanischen Manga, der auf eindrückliche Weise von Privatsphäre handelt. Levin Handschuh, mit dem mich eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, unsere Bühnenbilderin und ich werden mit den Teilnehmenden und vier Sängern eine musiktheatrale Darbietung zu diesem Thema verwirklichen.
Und im April findet eine Produktion zu Goethes Fragment „Hanswursts Hochzeit“ der Münchner Tonkünstler statt. Dafür schreibe ich eine von sechs Kompositionen, dazu gibt es Figurenspiel – auch wieder eine neue Erfahrung!
Vielen Dank für das Gespräch, Katharina Müller!