Von Irma Hoffmann.
Schon seit 1997 wird während der Münchner Opernfestspiele unter freiem Himmel eine Oper aus dem Festspielprogramm live und, dank des Global Partners BMW und des Co-Partners HypoVereinsbank, gratis auf den Platz vor dem Opernhaus übertragen. Zur Freude von Klassikbegeisterten. Der Plan, mit Oper für alle auf diese Weise einem neuen Publikum die Hemmschwelle vor Oper und klassischer Musik zu nehmen, scheint aufzugehen. Die Zahl der Klassikfans wächst und bald wird wohl der Platz vor der Oper nicht für alle reichen.
Inzwischen ist die Oper für alle „… über die Grenzen Münchens hinaus ein fester Bestandteil des Kulturerlebens in Bayern.“ Und es sei ihm ein großes Anliegen, dem Namen Oper für alle noch mehr gerecht zu werden, indem die Bayerische Staatsoper nicht nur im Nationaltheater, sondern auch an anderen Orten der Stadt und der Region zu erleben ist, sagte der Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper Serge Dorny bei einem Interview.
Opernhorizonte weltweit
2007 wurde das Format „BMW Opera for All“ als „Staatsoper für alle“ mit der Staatsoper Unter den Linden auch in Berlin, 2012 mit dem London Symphony Orchestra mit dem gemeinsamen Format „BMW Classics“ in London etabliert. 2023 erweiterte das Unternehmen sein Opernengagement mit einer Vorstellung in Melbourne, Australien.
Einer dieser von Dorny gemeinten „anderen Orte“ befindet sich nicht unter freiem Himmel und nicht im architektonisch historischen Ambiente des Münchner Max-Joseph-Platzes, sondern in der Arena der Basketball-Spielstätte des FC Bayern im BMW Park.
Oper trifft Arena
Hier bot sich am Freitag, dem 24. Oktober 2025, für mehr als 6.000 opernbegeisterte Besucherinnen und Besucher eine neue Möglichkeit für einen kostenfreien Opern-Hörgenuss. Ja, Sie lesen richtig: Die „Oper für alle“ der Bayerischen Staatsoper wurde nicht per Video übertragen, sondern fand live in der Basketball-Sporthalle im BMW Park statt.
Und für alle, die für dieses Event kein kostenfreies Ticket mehr ergattern konnten, war der Livestream auf Staatsoper TV eine akzeptable Alternative.
Stadionszenen und Opernglanz
Ich war eine der glücklichen Ticketbesitzerinnen. Also machte ich mich, wie von den Veranstaltern empfohlen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg, nicht ahnend, welche Herausforderung mir bevorstand: die U-Bahn-Fahrt verlief für Münchner Verhältnisse noch völlig entspannt. An der Bushaltestelle wurde mir dann klar, dass eine zügige Weiterfahrt angesichts der riesigen Anzahl wartender Menschen geradezu aussichtslos war. Entgegen meiner Befürchtungen gelang es mir dann doch, mich in den Bus zu zwängen. Nach drei Stationen mit angehaltenem Atem und etwas derangiert ging es zu Fuß weiter in Richtung BMW Park auf dem Gelände der Bezirkssportanlage zwischen Westpark und Garmischer Straße. An uns vorbei eilten im Laufschritt Männer in Sportshirts zu ihren Trainingsstätten … ein spannender Kontrast zu meinen bisherigen Opernabenden. Finalmente! Ich war angekommen! Erneut von tausenden Musikbegeisterten umgeben (nach Angaben des Veranstalters insgesamt über 6.0000; zum Vergleich: die Münchner Oper fasst etwa 2.100 Besucher), alle fest entschlossen, diese großartige Gelegenheit wahrzunehmen, gratis in den Genuss einer musikalischen Darbietung von höchstem Niveau zu kommen.
Musik mit Wucht und Eleganz
Das Programm der Oper für alle präsentierte einen Ausschnitt des Repertoires der Bayerischen Staatsoper und sollte Lust auf die kommende Saison machen mit:
Ouvertüren von Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut“ und Giuseppe Verdis „La forza del destino“; dem Lied „Viva il vino“ aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“; der Arie der Rusalka „Lied an den Mond“ aus Antonin Dvořáks „Rusalka“; dem Duettvon Mimi und Rudolfo „O soave fanciulla“ aus Giacomo Puccinis „La Bohème“; der Polonaise von Nikolai Rimski-Korsakow aus „Die Nacht vor Weihnachten“; Rezitativ und Cavatine des Faust „Salut demeure chaste et pure“ aus Charles Gounods „Faust“; dem Glockenchor „Din, don, suona vespero“ aus Ruggero Leoncavallos „Pagliacci“; der Cavatine der Leonora „Tacea la notte placida“ aus Giuseppe Verdis „Il travatore“; der Chor-Introduktion „Gli arredi festivi giù cadona infranti“ aus Giuseppe Verdis „Nabucco“; der Arie des Cavaradossi von Giacomo Puccinis „Tosca“, sowie eines Csárdás der Rosalinde von Johann Strauß‘ „Die Fledermaus“.
Chor und Orchester
Die Musikalische Leitung hatte der 1987 in Verona geborene Andrea Battistoni, gemäß der Deutschen Oper in Berlin „… einer der meist geschätzten jungen Dirigenten der internationalen Musikszene.“ 2008 gab er sein Operndebüt mit La Bohème am Theater Basel. 2012, im Alter von 24 Jahren debütierte er als jüngster Dirigent am Teatro alla Scala in Mailand. An der Bayerischen Staatsoper gab er 2016 mit La Traviata seinen Einstand als Dirigent und leitet in der Spielzeit 2025/26 Vorstellungsserien von Il Trovatore und Macbeth. An diesem Abend dirigierte er überzeugend mitreißend das Bayerische Staatsorchester mit einfühlsam kraftvollem Temperament.
Der 1978 in Tübingen geborene Dirigent Christoph Heil wurde 2017 zum Chordirektor an die Oper Stuttgart berufen; unter seiner Leitung wurde der Stuttgarter Chor 2018 von der Zeitschrift Opernwelt als „Chor des Jahres“ ausgezeichnet. Seit 2023/2024 fungiert er als Chordirektor der Bayerischen Staatsoper. Der von ihm für die Oper für alle einstudierte Chor überzeugte durch temperamentvoll kräftig vorgetragenen Gesang.
Stimmen mit Charakter
Die 1979 in Chicago geborene Sopranistin Ailyn Pérez debütierte 2015 an der Bayerischen Staatsoper als Adina in L’elisir d’amore und seitdem singt sie als Alice Ford in Verdis Falstaff, als Violetta und Mimì in Puccinis La Bohème. In der Neuinszenierung der beiden Opern Cavalleria rusticana und Pagliacci übernahm sie 2025 die weibliche Hauptrolle der Nedda; außerdem singt sie die Titelpartie in Tosca und Marguerite in den Festspielvorstellungen der Neuproduktion von Faust. Ihre Stimme wird als außerordentlich reich mit bezaubernder Anmut beschrieben;
Am heutigen Abend trat sie in drei verschiedenen Gewändern auf, jeweils passend zur Handlung ihrer rezitierten Arien; so erschien sie zunächst, passend zur Figur der Rusalka, in einem ärmellosen, eng geschnittenen silbern glitzernden Paillettenkleid; für die Arie der Leonore aus Verdis „Il Trovatore“ trug sie ein dunkles tief dekolletiertes langes Gewand mit Umhang und am Ende der Darbietung schmückte sie als Rosalinde der Strauß-Operette „Die Fledermaus“ ein enges dekolletiertes Kleid mit straußenfedernbesetztem Rock und schwarzer Bluse mit weißen Puffärmeln.
Stimmen mit Zukunft
Der 1988 in Chile geborene Tenor Jonathan Tetelman, dessen Durchbruch zur internationalen Karriere 2018 erfolgte, als er beim Tanglewood Music Festival den Rodolfo in La Bohème sang, womit er auch an der Bayerischen Staatsoper 2023/24 debütierte. 2025/26 übernimmt er in München die Titelpartie in Faust.
Es gibt keine offizielle Rangliste der Tenöre, da diese subjektiv sind und je nach Meinung variieren. Tetelman gilt gemäß Opera Aktuell als einer der aufregendsten Nachwuchsstars der Gegenwart, bekannt für seine „großartige, strahlende und unverwechselbare Tenorstimme“, die ihm hoffentlich noch ganz lange erhalten bleibt. Am Ende sang er „Salut! Demeure chaste et pure“ womit er Lust auf die kommende Neuinszenierung von Charles Gounods „Faust“ machte. “Libiamo, ne’ lieti calici” aus La Traviata und „Va, pensiero“ aus Nabucco bildeten den krönenden Abschluss dieser wunderbaren Vorstellung, worauf das Publikum mit frenetischem Applaus reagierte.
Klang und Begeisterung
Die Akustik im BMW Park ist zwar nicht vergleichbar mit der höchst sensiblen der Hamburger Elbphilharmonie, doch hat sich die Sanierung des Stadions und die Ausstattung mit einem Voll-LED-Videosportboden erstaunlich positiv auf den Klang in der Halle ausgewirkt.
Oper für alle war auch in diesem Jahr wieder überwältigend!
Info: Die neue Spielzeit der Bayerischen Staatsoper 2025/26 beginnt mit einem Akademiekonzert am 31. Oktober und 1. November, der Premiere von Hans Werner Henzes „Die englische Katze“ am 5. November im Cuvilliéstheater sowie dem Unicredit-Eröffnungsfest am 8. November im Nationaltheater.
Was Oper für alle so besonders macht:
- Über 6.000 Besucher erlebten die Staatsoper live in der Arena
- Dirigent Andrea Battistoni überzeugte mit temperamentvollem Klang
- Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman glänzten mit Arien aus Verdi und Puccini
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Opera for Everyone in Munich: Festival Splendor at BMW Park
At the BMW Classics in Munich’s BMW Park, the Bavarian State Opera gathered around 6,000 listeners on October 24. For the first time, the popular “Opera for All” series took place not outdoors but inside the FC Bayern Arena – an unusual yet striking setting. Under Italian conductor Andrea Battistoni, the Bavarian State Orchestra performed an inspiring selection from Smetana, Verdi, Dvořák, Puccini, and Strauss. Soprano Ailyn Pérez and tenor Jonathan Tetelman impressed with vivid stage presence and vocal brilliance, notably in arias from “La Bohème,” “Il Trovatore,” and “Tosca.” The State Opera Chorus, prepared by Christoph Heil, delivered vibrant precision.
The arena’s acoustics proved surprisingly resonant, enhanced by advanced sound technology. The audience responded with extended standing applause. With this concert, the Bavarian State Opera continues its “Opera for All” vision – bringing classical music to broader audiences and expanding the city’s cultural spaces.
The 2025/26 season opens on October 31 with works by Henze, Verdi, and Gounod.








Vielen Dank, ich hatte keine Ahnung, dass Oper für alle auch in der Sportarena BMW Park stattfindet. Ein mutiges Konzept und wie ich in dem Beitrag lese, auch sehr erfolgreich.
Etwas skeptisch bin ich generell bezüglich der Idee, gewissermaßen als Einstiegsdroge ein Potpourri an Opernarien und -duetten anzubieten. Das ist musikalisch sicher hochklassig, aber eben nicht das, was eine Oper ausmacht. Eine Oper erzählt mit den Mitteln des Musiktheaters eine Geschichte vom Anfang bis zum Ende. Das kann man auch einem neuen Publikum durchaus zumuten. Die werden dann schon für sich selbst entscheiden können, ob sie diese Kunstform begeistert oder nicht. Man lockt ja auch nicht Leute damit ins Kino, dass man ihnen einen Zusammenschnitt großartiger Filmszenen der letzten hundert Jahre vorspielt.