„Ein Mord zu Weihnachten“ von Francis Duncan ist das schönste Krimi-Geschenk, das man sich machen kann.
Von Barbara Hoppe
Calnford, einen Tag vor Weihnachten. Das englische Örtchen liegt reizend, ein wenig abseits der Touristenströme und der zivilisatorischen Bequemlichkeiten, sodass an diesem Abend, als der Schneefall einsetzt, in den Häusern die Petroleumlampen angehen. Es ist 1949 und Sherbroome House, das herrschaftliche Anwesen am Ortsrand, hat neue Bewohner. Nach vielen Jahren des Leerstands leben dort nun Benedict Grame, Jeremy Rainer, ein enger Freund Grames, und sein Mündel Denys Arden, eine junge, lebenslustige Frau, verlobt mit Roger Wynton, der im Ort wohnt, in Sherbroome House jedoch nur bedingt gern gesehen ist, denn Jeremy Rainer hegt eine Abneigung gegen den jungen Mann.
Geheimnisse, wohin man schaut
Doch nun, zu Weihnachten, sollen die Animositäten vergessen sein. Benedict Grame hat zu einem seiner legendären Weihnachtsfeste geladen. Ein Fest, wie aus dem Bilderbuch soll es werden, mit Weihnachtsbaum, Geschenken, Sternensingern und Gemütlichkeit. Eine Reihe Gäste sind geladen, darunter der Politiker Austin Delamere, Lucia Tristam, eine atemberaubende, wenngleich nicht mehr ganz junge Frau, Rosalind Marsh, eine kühle Schönheit, das unscheinbare Ehepaar Napier, der ewig in Geldnöten steckende Gerald Bleechey, der Wissenschaftler Ernest Lorring. Zudem sind im Haus Charlotte Grame, die Schwester Benedicts und Nicholas Blaise, die rechte Hand Grames. Er selbst war es, der durch eine handschriftliche, dringliche Bitte Amateur-Detektiv Mordecai Tremaine verlockte, Weihnachten in der fremden Gesellschaft zu verbringen. Diese illustre Schar trifft nun nach und nach in dem herrschaftlichen Haus ein. Und Mordecai Tremaine ist in seinem Element. Etwas stimmt hier nicht. Und richtig: Scheinbar jeder Gast trägt ein Geheimnis mit sich herum, überdeckt von zur Schau gestellter Feststimmung. Es kommt, wie es kommen muss und am Weihnachtsmorgen liegt ein toter Weihnachtsmann unter dem Christbaum.
Whodunit, wenn jeder etwas zu verbergen hat?
Die Zahl der Verdächtigen ist groß und dennoch überschaubar, die Verhaltensweisen der Gäste sind verwirrend. Es ist ein reizendes Spiel mit Überlegungen und Spekulationen, in das Francis Duncan uns entführt. Konsequent sehen wir durch die Augen des so harmlos ausschauenden, romantische Geschichten liebenden Mordecai Tremaine, lässt Duncan uns an dessen Beobachtungen und Gedanken teilhaben. Und während draußen der Schnee knirscht und die Gäste ans Haus gebunden sind, verrichtet die Polizei unter der Leitung des überaus höflichen Inspector Cannock ihre Arbeit.
Viel Zeit vergeht in Gesprächen zwischen dem Hobbydetektiv und den einzelnen Gästen, ein jeder für sich in erstklassiger Stereotypie in Szene gesetzt, entsteht Stück für Stück ein Bild aus Liebe, Hass und Erpressung. Die Blütezeit der englischen Kriminalliteratur blitzt auf jeder Seite auf, Agathe Christie und Dorothy L. Sayers lassen grüßen. Ein friedliches Nachkriegsengland findet seine Gräuel im Kreis der Häuslichkeit. Gepflegt, elegant und mit perfider Boshaftigkeit beharken sich die Protagonisten, eingehüllt in den Mantel britischer Noblesse. Kaum etwas kann wohliger sein als die gemütliche Spannung in schönster Tradition englischer Kriminalromane.
Welch‘ Entdeckung ist Francis Duncan, der Lehrer, der 1914 in Bristol geboren wurde, 1988 starb und der rund 20 Kriminalromane schrieb. Erstmals erscheint er nun auf Deutsch und wir sind sehr glücklich darüber.
Leseprobe hier
Francis Duncan
Ein Mord zu Weihnachten
a.d.Engl. von Barbara Först
DuMont Buchverlag, Köln 2017
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Coverabbildung © DuMont Buchverlag
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