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Jüdische Kulturtage Berlin: Brücken in die Zukunft

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Wenn am 13. November zum 38. Mal das Festival „Jüdische Kulturtage Berlin“ unter dem Motto „Atid – Zukunft“ beginnen, erwartet das Publikum nicht nur wieder zehn Tage ein so hochkarätiges wie ungewöhnliches Programm, sondern vor allem eine Botschaft: Verantwortung für die Gegenwart und für die kommende Generation. 

Saat der Hoffnung

Festivaldirektor Avi Toubiana formuliert es so: „Wenn uns eine Situation nicht gefällt, dürfen wir nicht einfach abwarten. Wir müssen handeln, Weichen stellen, damit sich Dinge zum Besseren wenden. Wir säen für die Zukunft.“ Und verweist auf eine Geschichte aus dem Talmud: Ein alter Mann pflanzt einen Johannisbrotbaum, obwohl er weiß, dass dieser 70 Jahre braucht, bis er Früchte trägt. Ein junger Mann fragt ihn, warum er das tue, wenn er die Ernte doch nicht mehr erleben werde. Die Antwort des alten Mannes ist simpel: Er selbst habe bei seiner Ankunft auf dieser Welt ebenfalls schon Bäume mit Früchten vorgefunden. Nun sei es an ihm, seinen Teil beizutragen, damit auch die nachfolgenden Generationen davon profitieren.

Jüdische Kulturtage Berlin Synagogal Ensemble Berlin
Synagogal Ensemble Berlin

Klang gewordene Geschichte

Wie das Festival sein Motto umsetzt, zeigt sich besonders im Eröffnungskonzert, das in diesem Jahr erstmals vollständig in Eigenproduktion entstanden ist. Unter dem Titel „Let My People Grow. Hollywood-Filmmusik erzählt jüdische Geschichte“ zeichnet das Sinfonie Orchester Berlin unter der Leitung von Igor Budinstein anhand großer Filmmelodien die Geschichte des jüdischen Volks nach. Melodien aus den mit Oscars prämierten Spielfilmen „Yentl“, „Das Leben ist schön“ oder aus dem  preisgekrönten Musical „Fiddler on the Roof – Anatevka“ werden ebenso zu hören sein wie das berührende „Munich 1972“, das im Film von Steven Spielberg über die Geiselnahme israelischer Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München erklingt. Begleitet wird das Ensemble vom Synagogal Ensemble Berlin, professionellen Sängerinnen und Sängern der in Berlin beheimateten Opernhäuser. „Wir erzählen unsere Geschichte, aber am Ende sagen wir auch: Wir wissen, dass die Zukunft eine gute sein muss“, so Toubiana. „Das ist die Botschaft des Konzerts: aus der Vergangenheit lernen, die Gegenwart gestalten, optimistisch nach vorn blicken.“

Jüdische Kulturtage Berlin Avishai Cohen (c) Boaz Arad
Avishai Cohen (c) Boaz Arad

Bühnen der Vielfalt

Neben dem Eröffnungskonzert bietet das Festival auch in diesem Jahr ein breites Spektrum: Nachdem er bereits 2023 das Berliner Publikum begeistert hat, freut sich der amerikanischen Stand-Up-Comedian Modi darauf, seinen Fans mit seinem brandneuen Programm „Pause for Laughter“ Ablenkung von schwierigen Zeiten zu bieten. Der Jazz-Bassist, Komponist und Bandleader Avishai Cohen präsentiert nach seinem Auftritt 2022 nun „The Hebrew Book Band Part II“ und mit dem Ensemble Yamma Teiman steht ein ganz besonderer Musikabend im Programm. Inspiriert von ihren jemenitischen und sephardischen Großeltern gründete die israelische Mezzosopranistin Talya G. A Solan das Trio. Erstmals bei den Jüdischen Kulturtagen dabei, präsentiert es unterschiedliche Facetten jüdischer Musik in Ladino, Hebräisch und Arabisch – von tradierten Melodien über zeitgenössische Klänge bis hin zu Eigenkompositionen. Für Avi Toubiana ist dies ein ganz besonderer Abend: „Mein Vater war „arabischer Jude tunesischer Herkunft. Mit dieser Musik verbinde ich Familie, Kindheit, Heimat. Das Schöne ist: Mit einem solchen Konzert schaffen wir Brücken – nicht nur in die Vergangenheit, sondern mitten in die Gegenwart.“

Neue Perspektiven des Erlebens

Daneben laden interaktive Formate ein, jüdische Kultur mit allen Sinnen zu erleben. So können Besucher in einer Virtual-Reality-Installation Mendelssohns Ouvertüre aus „Ein Sommernachtstraum“ aus nächster Nähe erfahren – Musik zum Hören, Sehen und Fühlen. Das Literaturprogramm, das dieses Jahr erstmals in der Staatsbibliothek stattfindet, präsentiert eine Reihe prominenter Namen, darunter Leon de Winter und Christian Berkel. Und im Filmprogramm erwartet das Publikum sieben Filme von Comedy bis Drama.

Brücken in die Zukunft

Das unermüdliche Angebot der Jüdischen Kulturtage Berlin, aufeinander zuzugehen und mit Kultur Menschen zusammenzubringen, trägt sichtbar Früchte. Zahlreiche Sponsoren unterstützen das Festival. Die Veranstaltungen sind fast immer ausverkauft. „Viele Menschen kommen aus Solidarität“, sagt Toubiana. „Andere, weil sie neugierig auf jüdische Kultur sind. Entscheidend ist: Sie alle verlassen unsere Veranstaltungen bereichert, im Kopf und im Herzen.“ Politische Debatten wolle er nicht führen. „Ich möchte Türen öffnen. Wer Vorurteile mitbringt, erlebt bei uns vielleicht jüdische Musik, Literatur oder Comedy – und plötzlich sitzt man nebeneinander und ist im Gespräch“, führt der Intendant aus. Das große Ziel der Jüdischen Kulturtage Berlin sei es, eine friedliche Zukunft zu erschaffen. Eine Zukunft, in der Religion und Herkunft keine Ursache für Verfolgung sind, sondern ein Grund zur Vielfalt und zum Feiern. „Und das“, ist Avi Toubiana überzeugt, „geht nur miteinander, mit Verständnis und Toleranz.“

38. Jüdische Kulturtage Berlin13. – 23. November 2025
Gesamtprogramm:www.juedische-kulturtage.org

Was das Festival besonders macht:

  • Eigenproduktion des Sinfonie Orchesters Berlin als Eröffnung
  • Begegnung von Musik, Tradition und moderner Identität
  • Kultur als Brücke für Verständnis und Zukunftsvertrauen

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Der Artikel erschien erstmals in der Kulturbeilage “Jüdische Kulturtage” der Berliner Morgenpost, die im November 2025 erschien.

Jüdische Kulturtage Berlin (Jewish Culture Days Berlin) : Bridges to the Future

On November 13, the 38th Jewish Culture Days Berlin open under the motto “Atid – Future,” dedicated to responsibility for the present and the next generation. Festival Director Avi Toubiana recalls a Talmudic story about planting trees—a metaphor for acting today to benefit those to come. The theme is most evident in the opening concert “Let My People Grow,” an in-house production by the Symphony Orchestra Berlin under Igor Budinstein. Film music from “Yentl,” “Life is Beautiful,” and “Fiddler on the Roof” traces Jewish history through sound.

The program celebrates diversity: comedian Modi, bassist Avishai Cohen, and the ensemble Yamma Teiman explore Jewish identity through music and humor. Interactive formats, such as a VR experience of Mendelssohn’s “A Midsummer Night’s Dream” and readings at the State Library, broaden cultural engagement. For Toubiana, the festival builds bridges—people meet, and prejudices fade through shared experience. Its vision is a future where heritage unites rather than divides.

2 Gedanken zu „Jüdische Kulturtage Berlin: Brücken in die Zukunft“

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