Von Barbara Hoppe.
„Licht“ heißt das diesjährige Motto der Jüdischen Kulturtage oder „Or“ wie es im Hebräischen heißt. Ein Motto, das vor allem nach dem Terrorangriff auf Israel aktueller denn je ist. „Nach den tragischen Ereignissen im vergangenen Oktober haben sich viele Juden zurückgezogen. Mit den Jüdischen Kulturtagen möchten wir jüdische Kultur und jüdisches Leben wieder sichtbar machen“, erläutert Avi Toubiana, Intendant der Kulturtage.
Kreativität und Engagement: Kurzfilmwettbewerb für Jugendliche
Möglichkeiten, nicht nur zuzuschauen, sondern auch mitzumachen, bietet das Programm zahlreiche. „ Weiter ausgebaut haben wir die Angebote für Kinder und Jugendliche“, führt Toubiana aus. Dazu zählt der Kurzfilmwettbewerb, zu dem noch bis Ende Juli Filmbeiträge eingereicht werden können. „Wenn sich Jugendliche damit befassen, was Licht im Judentum heißt und was es bedeutet, ist das sicherlich eine wunderbare Möglichkeit, Antisemitismus vorzubeugen“, führt der Intendant aus. „Wir setzen für die Umsetzung keine Grenzen. Ob Animationsfilm, Dokumentation, Drama oder Comedy spielt keine Rolle. Bewerben darf sich jeder, sofern er nicht älter als 19 Jahre alt ist. Auch die Konfession spielt keine Rolle“, erläutert Avi Toubiana die Bewerbungskriterien. Premiere feiern die Filme am13. September im Kino der KulturBrauerei. Dem Gewinner winken 3.000 Euro Preisgeld und die Möglichkeit, den Trailer für die Jüdischen Kulturtage im kommenden Jahr zu produzieren.
Podcast-Pioniere: Junge Stimmen für jüdische Themen
Wer lieber hautnah dabei sein möchte, kann live von den Jüdischen Kulturtagen berichten. Erstmals geht ein Jugendpodcast direkt im Anschluss an verschiedene Veranstaltungen online. Drei bis fünf Minuten lange Nachberichterstattungen ermöglichen den jungen Menschen, jüdische Themen verständlich aufzubereiten und nebenbei viel über Journalismus zu lernen.
Tradition erleben: Kalligraphie und jüdische Literatur
Mit Beginn des Literaturprogramms auf dem Bebelplatz am Sonntag, dem 15. September, haben dann auch die „großen“ Besucher die Möglichkeit, aktiv in die Welt der jüdischen Literatur und Kalligraphie einzutauchen. Nur mit Gänsefeder und Tinte ausgestattet und unter Anleitung eines erfahrenen „Sofer“, eines Spezialisten für das kunstvolle Schreiben religiöser Texte, besteht die Möglichkeit, in Workshops die Technik, mit der Thora-Rollen geschrieben werden, zu erlernen. Dabei bekommen die Teilnehmer sicher auch ein tieferes Verständnis dafür, was die Thora und deren Einweihung für eine jüdische Gemeinde bedeutet. Mitzuerleben ist dies zum Abschluss der Jüdischen Kulturtage am 22. September. Dann nämlich, wenn auf dem Bebelplatz – dort, wo am 10. Mai 1933 die Nationalsozialisten die Bücherverbrennung durchführten – eine Thorarolle vollendet wird. „Das wird eine tolle Sache“, ist Avi Toubiana überzeugt und ergänzt: „Die Thora-Rolle wird dann unter Begleitung des britisch-chassidischen Sängers Shloime Gertner im Konvoi singend und tanzend in die Synagoge der Kahal Adass Jisroel in der Brunnenstraße geführt.“
Singend und tanzend zeigt sich auch das Programm, das in der Synagoge in der Rykestraße stattfindet. Bereits das Eröffnungskonzert wird schwungvoll-extravagant mit dem Sinfonie Orchester Berlin unter der Leitung von Igor Budinstein, begleitet von der israelischen Pop-Sängerin Shiri Maimon. Im Hof der Synagoge projiziert zeitgleich der Graffiti-Künstler Benzi Brofman das Motto der Jüdischen Kulturtage auf eine gigantische Leinwand. Wer sich intensiver mit dem Wandmaler und Straßenkünstler beschäftigen möchte, sollte seine Schritte in die Graffiti Galerie im Zentrum Zusammen an der Bernauer Straße lenken. Vielen Berlinern ist er sicher durch das große „Bring them Home“-Mural in der Oranienburger Straße bekannt, das an die Ereignisse am 7. Oktober erinnert. Der Künstler selbst ist dem Überfall auf das „Nature Party Festival“ im Kibbuz Re’im nur entkommen, weil er nach seinem Auftritt tags zuvor direkt nach Hause gefahren ist.
Musik und Kunst: Ein vielseitiges Programm
Musikalisch geht es weiter mit dem israelischen Singer-Songwriter-Urgestein David Broza, der 1977 mit dem Song „Yihye Tov“ eine bis heute bekannte Hymne für den Frieden in Israel schuf. Die Jane Bordeaux Band hingegen präsentiert amerikanische Country-Folk-Musik auf Hebräisch. Gegründet 2003 aus Musikern des Orchestre de Paris, dem Orchestre National de France und dem Orchestre de l’Opéra de Paris sowie einem Pianisten, einem Cimbalom-Spieler und dem Arrangeur Cyrille Lehn, verbindet das Sirba Octet klassische Musik mit traditioneller osteuropäischer Volksmusik. Die Lachmuskeln strapazieren möchte Elon Gold. Der Komiker, Schauspieler und Autor aus New York feiert nicht nur Erfolge auf Netflix und Amazon Prime, sondern ist auch häufiger Gast in US-amerikanischen Late-Night-Shows.
Mehr als Erinnerungskultur
„Das Judentum ist so viel mehr als nur der Holocaust“, streicht Avi Toubiana immer wieder heraus und fährt fort: „Wir sind ein fröhliches Volk und wir glauben an das Gute. Das möchten wir mit den Jüdischen Kulturtagen zeigen.“
Jüdische Kulturtage
12. bis 22. September 2024
Der Artikel erschien erstmals in der Kulturbeilage “Jüdische Kulturtage” der Berliner Morgenpost, die im Juli 2024 erschien.
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Light in Dark Times: The Jewish Culture Days in Berlin 2024
In a world often marked by uncertainty and conflict, culture can serve as a beacon of hope. This is precisely what the Jewish Culture Days in Berlin aim to convey this year. Under the motto “Light,” or “Or” in Hebrew, the festival celebrates Jewish life and culture in all its facets. The event seeks not only to entertain but also to connect, educate, and encourage participation. This is particularly important in times when many people are looking to regain their courage following the tragic events in Israel last October.
Avi Toubiana, the director of the festival, explains: “After the tragic events, many Jews withdrew. With the Jewish Culture Days, we want to make Jewish culture and Jewish life visible again.” And the program is more diverse than ever. It especially appeals to children and young people, encouraging them to actively become part of this vibrant culture.
Creativity and Engagement: Short Film Competition for Young People
One of the highlights is the short film competition, inviting young talents to bring their visions on the theme of “Light” to life through film. Whether it’s animation, documentary, drama, or comedy, creativity knows no bounds. The only requirement is that participants must be under 19 years old. Submissions can be made until the end of July. The best films will be showcased on September 13 at the Kulturbrauerei cinema. The winner will receive not only a prize of 3,000 euros but also the exciting task of producing the trailer for next year’s Jewish Culture Days. “If young people engage with what light means in Judaism and its significance, it’s a wonderful way to prevent antisemitism,” says Toubiana.
Podcast Pioneers: Young Voices for Jewish Themes
For those who prefer to experiment in the world of spoken word, the new youth podcast offers a great opportunity. Immediately following various events, the young podcasters will share their impressions and present Jewish themes in a way that is understandable and accessible. It’s a perfect chance to acquire journalistic skills and find one’s own voice. Avi Toubiana is enthusiastic: “This is a great opportunity for young people to share their perspectives and simultaneously learn a lot about journalism.”
Experience Tradition: Calligraphy and Jewish Literature
Not only young visitors but also adults can actively immerse themselves in Jewish culture. Starting on September 15, Bebelplatz will become the stage for the literary program of the festival. Here, visitors have the chance to learn the art of Jewish calligraphy. Under the guidance of a “Sofer,” a specialist in the artful writing of religious texts, participants can learn the technique of writing Torah scrolls. A very special experience awaits attendees on September 22: On the historic Bebelplatz, a Torah scroll will be completed and then, amidst singing and dancing, brought to the Kahal Adass Jisroel synagogue on Brunnenstrasse. “It’s going to be wonderful,” says Avi Toubiana.
Music and Art: A Diverse Program
The program of the Jewish Culture Days also offers a wide range of music and art. From the opening concert of the Berlin Symphony Orchestra with Israeli pop singer Shiri Maimon to graffiti art by Benzi Brofman, known for his “Bring them Home” mural on Oranienburger Strasse. Particularly touching: Brofman narrowly survived the terrorist attack on the “Nature Party Festival” in Kibbutz Re’im last October.
Musically, the program continues with David Broza, a legend of the Israeli singer-songwriter scene, and the Jane Bordeaux Band, which presents American country-folk music in Hebrew. The Sirba Octet combines classical music with Eastern European folk music, and American comedian Elon Gold brings the audience to laughter with his distinctive humor.
More Than Remembrance Culture
“Judaism is so much more than just the Holocaust,” emphasizes Avi Toubiana. “We are a joyful people, and we believe in the good. That’s what we want to show with the Jewish Culture Days.” The events offer the opportunity to experience Jewish culture in all its diversity, engage with others, and gain new perspectives.
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