Zum Inhalt springen

Paul Hindemith: Ein Jubiläum der Meisterwerke

Rating: 5.00/5. From 7 votes.
Please wait...
Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Kammermusikalisches Meisterkonzert zu Ehren von Paul Hindemith im Schloss Philippsruhe, Hanau. Von Barbara Röder.

Schon zum 20. Mal veranstaltet das Hindemith Institut Frankfurt die Hindemith Tage. Auch diesmal rückt Hanau, der Geburtsort Hindemiths, wo er am 16.11.1895 in die Welt blinzelte, in den Fokus. Im schmucken Roten Saal des Historischen Museums erlebten die zahlreichen Gäste eine außergewöhnliche sonntägliche Matinee: Tabea Zimmermann, Bratschistin, Interpretin von Weltruf und Präsidentin der Fondation Hindemith ließ es sich nicht nehmen, mit zwei aufstrebenden, renommierten Künstlern, dem Geiger William Hagen und dem Cellisten Oliver Herbert, zu Ehren Paul Hindemiths zu musizieren.

paul-hindemith-1924-fondation-hindemith
Paul Hindemith aus dem Jahr 1924, dem Entstehungsjahr des Streichtrios op. (c) Fondation Hindemith, Blonay (CH).

Paul Hindemith: Vom musikalischen Bürgerschreck zum Meister der Kammermusik

In den 1920er Jahren prägte Hindemith nicht nur das Frankfurter Musikleben. Sein Einakter -Triptychon „Mörder, Hoffnung der Frauen“ und „Das Nusch-Nuschi, Sancta Susanna“ waren wegweisend für die damalige Avantgarde. „Sancta Susanna“ avancierte 1922, an der Oper Frankfurt uraufgeführt, zum Skandalstück, das Proteststürme hervorrief. Als Bratschist feierte Hindemith Erfolge im berühmten Amar-Quartett. An der Oper Frankfurt hatte der Komponist die Stelle des Konzertmeisters inne. Seine Liebe zur „Alten Musik“ begründet das intensive Studium der Viola d’amore in den 20er-Jahren. Später folgten entsprechende Konzerte, begleitet von Cembalo und Gambe. Vor hundert Jahren, also 1924, war Hindemiths Ruf der eines musikalischen Bürgerschrecks. Hervorgerufen durch sein expressionistisches Werk, seine experimentelle, kompositorische Neugier. Diesem wilden, rebellischen, witzigen Komponistengenie, der die Kunstform Fuge liebte, alte und neue Stile zu verquicken wusste, begegnen wir an diesem denkwürdigen, musikalisch inspirierenden Sonntagvormittag.

Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart: Hindemith und Mozart

Das dramaturgisch gut durchdachte Programm, das Tabea Zimmermann eigens für diese Feierstunde ersonnen hatte, stellt das Trio op. 34, das Hindemith vor 100 Jahren komponierte und selbst aufführte, als Herzstück ans Ende des Programms.

Ein anderes musikalisches Genie, nämlich Wolfgang Amadeus Mozart, lernt das aufmerksame Publikum zu Beginn kennen. Sein Duo für Violine und Viola in G-Dur KV 423 aus dem Jahr 1783 strotzt vor Virtuosität, Witz und Verliebtheit in den Part der melancholisch anmutenden Viola. Mozart, viele wissen es nicht, war ein begeisterter Bratschist. Sein experimentelles Gespür für die Zwiesprache von Violine und Viola, die hochvirtuos und liebreizend im besten Sinne von William Hagen und Tabea Zimmermann interpretiert wird, begeistert und ist eine besondere Entdeckung.

Der rege, von Flageolettönen flankierte Dialog zwischen Bratsche und Violoncello trat in ein irrwitzig tönendes Duo mit dem Titel „Duo? O, Du …“ für Viola und Cello (1985) des Cellisten und zeitgenössischen Komponisten Thomas Demenga zutage. Ist es wirklich ein Duett oder sind es um sich kreisende Monologe zweier Virtuosen, die sich suchen und ab und zu finden scheinen? Diese selten zu hörende, komplexe Komposition stellt eine Rarität, die staunen machte. Die sublime Spielfreude der Bratschistin Tabea Zimmermann und des Cellisten Oliver Herbert riss ebenso in den Bann wie bei dem darauffolgenden Werk.

Im Zug und in Frankfurt hat Paul Hindemith sein Trio op. 34 1924 auf Notenpapier geworfen. Es ist ein überschäumendes Kleinod an intimer Kammermusik in vier Sätzen, die Hindemiths Leidenschaft zu alten musikalischen Formen wie die der Fuge oder der Toccata aufweist. Der fulminante dritte Satz, ein rein gezupftes Pizzicato-Paradestück steht im Kontext zum melancholischen, elegischen zweiten Satz, der „Langsam und mit großer Ruhe” übertitelt ist. Er kann als eine nachsinnende Betrachtung hinein in die Zeit von 1924 gedeutet werden. Eine Epoche voller Widersprüche, Aufbrüche und Neuanfänge. Hindemiths Streichtrio atmet musikalisch den damaligen, pulsierenden Zeitgeist. Die überwältigende Interpretation der drei Künstler Tabea Zimmermann, William Hagen und Oliver Herbert wurden vom Publikum im voll besetzten Roten Saal mit herzlichem, begeisterten Applaus bedacht. Ein Ausnahmekonzert, das sonst nur auf den internationalen, erlesenen Kammermusikpodien der Welt zu erleben ist!

tabea-zimmermann-oliver-herbert-william-hagen-paul-hindemith-tage-2024-barbara-roeder
Foto: Barbara Röder

Ein Jubiläum voller musikalischer Highlights

Schirmherrin der Hindemith Tage 2024 war in diesem Jahr die Kultur- und Wissenschaftsdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, Dr. Ina Hartwig. Ebenso wundervolle Konzerte veranstalteten als Kooperationspartner der Hindemith Tage 2024 auch die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK), Frankfurt, das Historische Museum Frankfurt, und das Musikwissenschaftliche Institut der Goethe-Universität. Das liebevoll gestaltete Programmbuch des Hindemith Institutes Frankfurt zeugt von der unermüdlichen Sorgfalt und Liebe zum Werk Paul Hindemiths. Zurecht darf sich das Hindemith Institut Frankfurt für 50 Jahre Erforschung des Lebenswerks des Universalgenies Paul Hindemith, der als Musiker, Komponist, Dirigent und als künstlerischer Freidenker Musikgeschichte schrieb, feiern lassen.

Für den „Paul-Hindemith-Preis für Kunst und Menschlichkeit“ – so hieß er ursprünglich –, der seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre an Musiker vergeben wird, zeigte sich damals der Geiger und Pädagoge Alois Kottmann, ebenfalls Sohn der Stadt Hanau, als Initiator und Ideengeber verantwortlich. Der Paul-Hindemith-Preis der Stadt Hanau kommt im Gegensatz zu dem 1990 in Plön (SHMF) erstmals vergebene Paul Hindemith-Preis an zeitgenössische Komponisten Künstlern zuteil, die mit ihrem Schaffen in der Musikwelt das Lebenswerk Paul Hindemiths und seinen Zugang zur Musik zu würdigen und zu ehren vermögen. Im nächsten Jahr feiert die Stadt Hanau ihr 25-jähriges „Paul Hindemith-Preis“ Jubiläum. Eine würdige Ehrung für Paul Hindemith, bei welchem die Stadt Hanau wieder internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird.

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Paul Hindemith: A jubilee of masterpieces

The Hindemith Days 2024 in Frankfurt and Hanau celebrated Paul Hindemith with outstanding concerts. In the Red Hall of Hanau’s Historic Museum, violist Tabea Zimmermann, violinist William Hagen, and cellist Oliver Herbert captivated the audience. The highlight was Hindemith’s String Trio Op. 34, a chamber music masterpiece from 1924, performed with exceptional virtuosity.

Mozart’s Duo for Violin and Viola in G major opened the program, showcasing a surprising connection between the two composers. Another standout was Thomas Demenga’s complex „Duo? O, Du …,“ which impressed with its humorous and experimental tones.

The Hindemith Days also honored Hindemith’s historical significance: his works shaped the avant-garde of the 1920s and his reputation as a „musical provocateur.“

Under the patronage of Dr. Ina Hartwig, the Hindemith Institute Frankfurt demonstrated its dedication to Hindemith’s legacy with lovingly crafted program books and additional events. Next year, Hanau will celebrate the 25th anniversary of the Paul Hindemith Prize – another fitting tribute to the universal genius.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert