Wenn ein renommiertes, traditionsreiches Orchester einen runden Geburtstag feiert, so wäre es doch schön, wenn der Musikbegeisterte ein Stück dieses Orchesters und seiner Geschichte mit nach Hause nehmen könnte. Nicht als CD mit – sagen wir, einem Jubiläumskonzert – auch nicht als Festschrift, in der sich chronologisch die Jahrzehnte und ihre Highlights aneinander reihen, sondern als einen Blick in das Herz des Ensembles, ausgedrückt in Wort und Bild.
Es gibt noch etwas zu entdecken auf dieser Welt. Orte, die – im besten Fall – verlassen wurden und im kuriosesten nie existierten und trotzdem bis vor kurzem noch bei Google Earth zu finden waren. Inseln, die auftauchen und wieder verschwinden, eine Enklave innerhalb einer Enklave, Landstriche, die kein Staat haben will oder auch ein 160m langes Stück Straße mit fünf nationalen Grenzen zwischen Holland und Belgien. Besonders spektakulär in dieser Aufzählung ist mit Abstand die hypermoderne, blitzblanke und unbewohnte nordkoreanische Stadt Kijong-dong, die einzig und allein dafür gebaut wurde, Südkoreaner anzulocken und zu verführen, nach Nordkorea überzulaufen. Seit den 50er Jahren glänzt die propagandistische Stadt an der Südgrenze Nordkoreas und zieht wohl trotzdem keinen Südkoreaner an.
Jean-Henri Fabre, 1823 in einem kleinen Ort im französischen Zentralmassiv geboren, hatte ein langes, ausgefülltes Leben. In bitterer Armut groß geworden, erhielt er bereits als Zehnjähriger ein Stipendium fürs Gymnasium, das die Basis seiner Bildung werden sollte. Intelligent wie er war, machte er Abitur und eine Ausbildung zum Lehrer. Seine Liebe galt den Naturwissenschaften. Und da es ihm gelang, volksnah zu schreiben, wurden seine Publikationen so erfolgreich, dass er von ihnen leben konnte. 1912 waren seine „Erinnerungen eines Insektenforschers“ sogar für den Literaturnobelpreis nominiert (den Gerhart Hauptmann dann bekam).
Mit über 60 Jahren begann Fabre, sich einer neuen Aufgabe zu widmen: Er wollte alle Pilze, die er in der Umgebung rund um sein Anwesen im südfranzösischen Sérignan-du-Comtat fand, in Zeichnungen dokumentieren. Er brachte sich das Malen bei und begann. FastWeiterlesen »Der Pilz als Aquarell: Jean-Henri Fabre „Pilze“
Er maß nur 1,40m und war Autodidakt: Adolph Menzel, 1815 in Breslau geboren und 1905 in Berlin gestorben, wurde trotzdem ein ganz Großer seiner Zeit. Durch den Auftrag, Illustrationen für ein mehrbändiges Werk zur Geschichte Friedrichs des Großen anzufertigen, gelang Adolph Menzel 1839 der künstlerische Durchbruch. Fortan war die Zeit Friedrich des Großen sein Sujet, ohne jedoch die Herrscher zu verherrlichen, was ihm die Kritik des preußischen Königshauses einbrachte. Waren es zunächst historische Ereignisse – berühmt geworden ist das Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci – die er in seinen Bildern festhielt, verlegte er sich mit der Zeit auf aktuelle Themen, in denen er die Wirklichkeit schonungslos abbildete und die ihm nicht nur das Attribut des bedeutendsten deutschen Realisten des 19. Jahrhunderts einbrachten, sondern auch bereits zu Lebzeiten zahlreiche Ehrungen.Weiterlesen »Literatur: Werner Busch „Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit“
Eine Reise in den Alltag der Goethezeit: Wer sich auf den rund 500 Seiten langen Weg macht, steht 1775 um 5 Uhr morgens vor dem Haus des Kammergerichtspräsidenten von Kalb und sieht Goethe in der Kutsche vorbeifahren. Er, der Leser (nicht Goethe) reist nach Berlin, wo er an den Stadttoren Befragungen und Gepäckdurchsuchung über sich ergehen lassen muss, bis er den Passierschein in den Händen hält, nur um bei der Ankunft im Quartier gleich den nächsten – diesmal polizeilichen – Kontrollbogen ausfüllen zu müssen. Man lugt in eine philanthropische Reformschule und sitzt zwischen Bauernkindern in einer Dorfschule ebenso wie auf den Bänken der Universität, um Fichte und Kant zuzuhören. Mit E.T.A. Hoffmann übersteht der Leser Abenteuer, in Berlin schaut er vom Gendarmenmarkt aus auf eine brennende Stadt und ist schließlich Mäuschen im Anatomiesaal zu Jena.
Zeit kann lang sein oder schnell vergehen. Die Uhren geben uns ein vermeintlich objektives Zeitmaß. Doch was macht Zeit mit uns wirklich – angesichts von Sorgen und Ängsten, von Lust und Leidenschaft, im Spiel, in der so genannten Langeweile, im täglichen Getriebe, in den Medien, in der Gleichzeitigkeit unserer globalisierten Welt?
Rüdiger Safranski geht dem Phänomen nach und appelliert, diesem wertvollen Gut wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken und Zeiterfahrung zurückzugewinnen.
Der Autor verfasste zahlreiche Bücher über menschliche Grundfragen wie die nach „Wahrheit“ oder über das „Böse“. Auch seine Biographien u.a. über E.T.A. Hoffmann, Heidegger, Nietzsche oder Schiller und zuletzt seine Bestseller über die Romantik (2007), über die Freundschaft von Goethe und Schiller (2009) und über Goethe (2013) machten ihn einem breiten Publikum bekannt.Weiterlesen »Literatur: Rüdiger Safranski „Zeit. Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen“
Lebensendgespräche. Manchmal war es sogar das letzte Interview. Seit vielen Jahren führt die Journalistin Iris Radisch mit Schriftstellern und Philosophen, die am Ende ihres Lebens stehen, Gespräche. Was bleibt und was wird unwichtig? Wo ist Bitterkeit, wo Gelassenheit, wo Heiterkeit? Wie gestaltet man seinen Lebensabend? Und wie blickt man auf das Geschaffene zurück? Zu Wort kommen unter anderen Amos Oz, Marcel Reich-Ranicki, Günter Grass, Martin Walser, Imre Kertész, Péter Nádas, Ilse Aichinger, Julien Green, Peter Rühmkorf, Antonio Tabucchi, Patrick Modiano, Ruth Klüger, George Tabori, Claude Simon, George Steiner, Sarah Kirsch und Friederike Mayröcker.Weiterlesen »Literatur: Iris Radisch „Die letzten Dinge“. Schriftsteller und Philosophen über die letzten Dinge ihres Lebens.
Couchsurfing bedeutet, dass man auf Reisen nicht in Hotels unterschlüpft, sondern sich ein Privatquartier sucht, häufig mit direktem Kontakt zum Gastgeber, und preiswerter allemal. Eine Wohngemeinschaft auf Zeit sozusagen. Ein ganz besonderer Reiz beim Couchsurfing ist aber auch, dass man Land und Leute ganz anders kennenlernt, als auf wohlgeordneten Touristen- und Hotelpfaden.
Daher ist es kaum zu glauben, dass Couchsurfing auch im Iran möglich ist. Und was der Spiegel-Reisejournalist Stephan Orth dabei erlebte, widerspricht dem Bild, das der Iran nach außen zeigt, komplett: Bikinipartys, geheime Sadomaso-Treffen, private Besäufnisse oder heimliche Wodka-Käufe in der Apotheke. Stephan Orth erzählt von einem zweiten Iran, der im Verborgenen existiert.Weiterlesen »Literatur: Stephan Orth „Couchsurfing im Iran. Meine Reise hinter verschlossene Türen“
Was wäre, wenn Bäume sprechen könnten? Welche Geschichten erzählten sie uns? Was die Eibe Ankerwycke Yew, unter deren Ästen Anne Boleyn einst Heinrich VIII. zum ersten Mal begegnete? Was die Dicke Marie in Berlin, wo die Humboldt-Brüder spielten und Goethe im Schatten saß und die Hermann Göring zum Naturschutzdenkmal machte? Oder der älteste bekannte Baum, der klein und hutzelig im schwedischen Hochmoor steht?
Wie war der Blitzkrieg möglich? Warum konnte Hitler seinen Wahnsinn bis zum Schluss durchstehen? Offiziell betrieben die Nazis eine strikte Drogenbekämpfung. Inoffiziell waren sie gängige Mittel, um den Wahnsinn des Dritten Reichs durchzuführen und durchzuhalten.
Der Autor Norman Ohler wertete bislang gesperrte Dokumente aus, sprach mit Zeitzeugen, Militärhistorikern und Medizinern. Erstaunliches kam zutage: Als die Wehrmacht 1940 Frankreich überfiel, stand die Truppe unter 35 Millionen Dosierungen Pervitin, das heute ein Bestandteil von Crystal Meth ist und damals in Apotheken zu kaufen war. Hitler selbst, nach außen Abstinenzler, konnte 1944 ohne das Opioid Eukodal, dessen Wirkung stärker als Heroin ist, nicht mehr auskommen.Weiterlesen »Literatur: „Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich“ von Norman Ohler
„Du Schwein!“ brüllen wir Menschen an, die uns verletzt oder hintergangen haben. „Du Schwein“, sagen wir jemandem, der unordentlich und unsauber ist und „Da hast du aber Schwein gehabt“, wenn ein Freund glücklich aus einer Situation herausgekam. Neben der sprachlich-metaphorischen Ebene dient uns das Schwein aber auch als Nutztier: Wir züchten, mästen und schlachten es und gerade jetzt, im Sommer, landet es nicht selten säuberlich aufgeteilt auf unserem Grill.
Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho (geb. 1952 in Wien) hat sich unseres liebsten Schimpfwort- und Fleischlieferanten angenommen. Denn die Wissenschaft weiß längst: Das Schwein ist physiologisch uns Menschen sehr ähnlich. Die erste Transplantation einesWeiterlesen »Literatur: „Schweine. Ein Portrait“ von Thomas Macho
Gehen. Flanieren. Bummeln. Über den Wert des langsamen Fortschreitens und der gleichzeitigen Betrachtung der Welt mit den Augen, aber auch mit dem Denken, gibt es bereits einiges zu lesen. Eines der bekanntesten Werke hierzu ist sicher „Spazieren in Berlin“ von Franz Hessel. Der französische Soziologe… Weiterlesen »Literatur: David Le Breton „Lob des Gehens“
Wer bei diesem Titel ein reißerisches Skandalbuch erwartet, der wird enttäuscht. Aber ein solcher Stil würde zum Autor des schmalen Büchleins auch schwerlich passen: Seit 2006 Professor für Kirchen- und Theologiegeschichte an der Marquette University in Milwaukee, gehört zu den Forschungsgebieten von Ulrich L. Lehner die frühneuzeitliche Geschichte Mitteleuropas und die europäische Religionsgeschichte. Und dies auf akademische, nicht marktschreierische Art. (Was durchaus mit einschließen darf, dass 2011 sein Buch „Enlightened Monks“ mit dem Shea Preis der amerikanischen Historiker als „bestes und originellstes Buch zur Geschichte des Katholizismus“ ausgezeichnet wurde.)
Ein Buch, das es eigentlich nicht hätte geben sollen
Geplant, so heißt es bei Lehner im Vorwort, sei das Buch nicht gewesen. Erst als er bei Recherchen zu einem Band über die Geschichte des Benediktinerordens während der Aufklärungszeit über zahlreiche Anzeichen, Bemerkungen und Fälle gestoßen sei, die darauf hinwiesen, dass auch in Klöstern Missbrauch, Ausschweifungen und sogar Kapitalverbrechen vorkamen, habe er tiefer gegraben, bis Weiterlesen »!Tipp: Ulrich L. Lehner „Mönche und Nonnen im Klosterkerker. Ein verdrängtes Kapitel Kirchengeschichte“
Geisterstädte. Im Western gern ein verlassenes Kaff mit ein paar Holzhäusern und einem Schild, das im Wind quietschend vor sich hinschaukelt. Ein Klischee. Denn auch Städte wie Pompeji, Prypja bei Tschernobyl oder- ganz aktuell – die Oasenstadt Palmyra in Syrien sind verlassen. Sie umweht der Hauch vergangener Kulturen oder sagenumwobener Geschichten, wie Teotihuacán in Mexiko, eine Stadt, die bereits 200.000 Einwohner gehabt haben soll und 750 n. Chr. aus unerklärlichen Gründen verlassen wurde.
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