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Literaturzelt der Jüdischen Kulturtage: die Highlights

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Von Barbara Hoppe.

Weit spannt sich der Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart im Literaturzelt der diesjährigen Jüdischen Kulturtage. So weit, wie jüdische Literatur vielfältig ist. So darf man am ersten Literaturtag des zehntägigen Festivals, am 15. September, auf dem geschichtsträchtigen Bebelplatz im wahrsten Sinne des Wortes ins Zelt „hineinstolpern“.

Stolpertexte: Literarische Denkanstöße, die zum Innehalten anregen

Wer kennt sie nicht, die Stolpersteine, die allerorts an die Deportation von Juden im Dritten Reich erinnern? Doch was sind „Stolpertexte“? „Stolpertexte sind kurze literarische Texte, die den Lesefluss in Tageszeitungen unterbrechen und zum Nachdenken anregen“, erklärt Dr. Miriam Bistrovic, Leiterin der Berliner Repräsentanz des Leo Baeck Institutes New York | Berlin und gemeinsam mit ihrem New Yorker Kollegen David Brown verantwortlich für das Projekt. „In unseren Beständen bewahren wir einzigartige Familiensammlungen, private Aufzeichnungen und Dokumente, die gerettet und dem Vergessen entrissen wurden. Diese Sammlungen berichten nicht nur von Jahrhunderten jüdischer Kultur und Geschichte deutschsprachiger Jüdinnen und Juden, sondern vor allem von ihrem Leben, Alltag und Erfahrungen“, führt sie aus. Indem Autoren dieses Ausgangsmaterial zu einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Stolpertexte transferieren, würden diese Erinnerungen in der Öffentlichkeit sichtbar.

James Simon: Der vergessene Mäzen Berlins und seine kulturelle Bedeutung

Einen immer noch weniger prominenten Juden, dem Berlin enorm viel zu verdanken hat, würdigt das Literaturprogramm am Montagabend: James Simon. Stefanie Gerhold schrieb mit „Das Lächeln der Königin“ den ersten Roman über den zurückhaltenden Unternehmer und Kunstliebhaber, der 1932 starb. Dabei fördert sie auch wenig Bekanntes zutage: „Gegen Ende seines Lebens hat James Simon ganz gegen seine Art das Wort ergriffen und in einem offenen Brief zur Rückgabe der Nofretete-Büste an Ägypten gedrängt. Woher dieser Sinneswandel? Dieser Frage spüre ich in meinem Roman nach“, berichtet die Autorin.

Avi Primor und der Nahostkonflikt: Einblicke in die aktuelle Krise

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Beunruhigt sind viele Menschen in diesen Tagen über den nicht enden wollenden Konflikt zwischen Israel und Palästina. Avi Primor war zwischen 1993 und 1999 israelischer Botschafter in Deutschland. Geboren 1935 in Palästina, ist er dank seiner langen diplomatischen Karriere nicht nur ein Kenner des Nahen Ostens, sondern auch kenntnisreicher Zeitzeuge. Als er sein Ende Mai erschienenes Buch „Bedrohtes Israel. Ein Land im Ausnahmezustand“ vor einem Jahr zu schreiben begann, glaubte niemand im Land an einen Krieg. Die Ereignisse vom 7. Oktober seien auch ein Resultat der aktuellen israelischen Regierung, zeigt sich Avi Primor überzeugt. „Während ich das Buch schrieb, kam der Krieg. Einen Teil meines Textes habe ich geändert, aber der Großteil ist so geblieben, weil er wichtig ist. Er erklärt, was für eine Regierung wir haben, warum wir diese Krisen erleben und warum die Menschen in Israel seit neun Monaten täglich auf den Straßen demonstrieren“, führt er aus.

Das Blaue Sofa: Jüdische Aufklärung und aktuelle Bedrohungen der Demokratie

Das „Blaue Sofa“ ist erstmals Gast bei den Jüdischen Kulturtagen. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 gehört es zu den erfolgreichsten Literaturformaten im deutschsprachigen Raum. Am 17. September nehmen Stephan Abarbanell, Hannah Brinkmann, Sara Klatt, Lana Lux und Marko Martin auf dem Sofa Platz und präsentieren Themen, die die Vielfalt jüdischer Literatur widerspiegeln – von historisch bis aktuell.

Unter dem Titel „Jüdische Aufklärung von Moses Mendelssohn bis heute“ tauchen Yael Kupferberg und Natan Sznaider in die Gedankenwelt der Philosophen Moses Mendelssohn und Max Horkheimer ein. Am folgenden Tag findet die hochaktuelle Diskussion „Demokratie in Gefahr? Rechtspopulismus und Antisemitismus als Bedrohung“ statt, in der Sina Arnold, Ahmad Mansour und Florian Schroeder erörtern, wie diese Ideologien unsere Demokratie durch Lügen, Hass und Verschwörungsmythen spalten, und Maßnahmen zum Schutz unserer demokratischen Werte diskutieren.

Franz Kafka: 100 Jahre nach seinem Tod – ein literarisches Gedenken

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Cover: Fischer Verlag

Und noch einen weiteren berühmten Vertreter jüdischer Literatur ehrt das Festival. Franz Kafka starb vor 100 Jahren. „Franz Kafka. Sein Leben als Schriftsteller“ beleuchtet die Lesung am 16. September, mit Schauspielern, die an diesem Abend Texte von und über Kafka lesen werden, dem Kafka-Herausgeber und -forscher Hans-Gerd Koch und unter fachkundiger Moderation des Lektors und  Spezialisten für wiederentdeckte Literatur Sebastian Guggolz.

Kafkas Verbindung zu Berlin: Auf den Spuren seiner letzten Jahre in der Hauptstadt

In seinen letzten Lebensjahren war Kafka längere Zeit in Berlin, um seiner Liebe Dora Diamant nahe zu sein. Die Stadt faszinierte ihn, wenngleich er auch die politischen wie wirtschaftlichen Krisen miterlebte und den zunehmenden Antisemitismus spürte. Für Oberstufenschüler bietet das Centrum Judaicum an, sich auf die Spuren dieses unbekannteren Kafka zu begeben: Einem Autor, der sich auch für Jiddisch, jiddisches Theater und das Ostjudentum interessierte. Seine letzte Lebensgefährtin lebte im Scheunenviertel und arbeitete im dortigen Jüdischen Volksheim. Orte, die Ziel eines rund einstündigen Stadtspaziergangs sein werden und auf diese Weise den großen Schriftsteller der Moderne würdigen.

Jüdische Kulturtage
Literaturprogramm
15. bis 20. September | Literaturzelt auf dem Bebelplatz

Jüdische Kulturtage
12. bis 22. September 2024

Programm hier

Der Artikel erschien erstmals in der Kulturbeilage “Jüdische Kulturtage” der Berliner Morgenpost, die im Juli 2024 erschien.

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Memory and the Present: The Literature Tent of the Jewish Culture Days at Bebelplatz

The Jewish Culture Days in Berlin are no longer a well-kept secret, but this year’s program offers a range of extraordinary literary experiences that will surprise and provoke thought. From September 15th to 20th, Bebelplatz transforms into a lively hub of Jewish culture, connecting the past with the present—using literature as a bridge. The focus is not just on well-known figures but also on lesser-known stories that are brought to life in remarkable ways. If you’re seeking an engaging yet accessible cultural experience, this festival is the perfect fit.

Stolpertexte: Literature that Provokes Thought

The literature program kicks off on September 15th with the unique “Stolpertexte” project, offering an extraordinary entry into the festival. Many people are familiar with the Stolpersteine (stumbling stones), which can be found across European cities, commemorating victims of the Holocaust. But what are “Stolpertexte” (stumbling texts)? These short literary pieces, appearing in newspapers, disrupt the flow of reading, encouraging readers to pause and reflect.

Dr. Miriam Bistrovic, head of the Berlin office of the Leo Baeck Institute New York | Berlin, explains: “We preserve family collections and personal records that would otherwise have been lost. These collections tell stories of Jewish life, daily experiences, and histories, deeply intertwined with Germany and Europe.” Writers transform these materials into Stolpertexte—making Jewish history and memory accessible and visible in a personal, intimate way.

James Simon: The Forgotten Patron of Berlin

Another highlight of the festival is the reading about James Simon, a man to whom Berlin owes much but who remains largely unknown. On September 18th, author Stefanie Gerhold will present her novel Das Lächeln der Königin (“The Smile of the Queen”), bringing to light the story of the reserved art collector and entrepreneur. Simon played a crucial role in supporting Berlin’s arts and culture scene but remained a quiet figure in the background.

One particularly intriguing aspect: toward the end of his life, Simon publicly called for the return of the Nefertiti Bust to Egypt—a bold move that seemed out of character for him. Stefanie Gerhold delves into this shift in her novel, uncovering new insights into a man who quietly shaped Berlin’s cultural history.

Avi Primor and the Middle East Conflict

On September 19th, the focus shifts to politics as former Israeli ambassador to Germany, Avi Primor, presents his latest book, Bedrohtes Israel. Ein Land im Ausnahmezustand (“Israel Under Threat: A Country in a State of Emergency”). The Israeli-Palestinian conflict remains a complex and seemingly unending issue. Primor, with his extensive diplomatic experience and as a witness to history, provides deep insights into the situation.

Primor began writing the book before the dramatic events of October captured headlines, but as the writing progressed, he foresaw that the growing political tensions would inevitably lead to violence. His reading will reflect not only on current developments but also explain why Israelis have been protesting against their government for months and how the country’s internal struggles are deeply tied to its external conflicts.

Franz Kafka: A Literary Legend Comes to Life

In honor of the 100th anniversary of Franz Kafka’s death, the Jewish Culture Days will dedicate a special reading to the great author on September 16th. Actors and literary scholars, including renowned Kafka researcher Hans-Gerd Koch, will bring Kafka’s life and work to the stage. Though often portrayed as distant and withdrawn, this event sheds new light on Kafka as a lover of Berlin and Jewish culture.

For high school students, the Centrum Judaicum offers a literary walking tour through the Scheunenviertel, where Kafka’s last companion, Dora Diamant, lived. On this tour, participants will explore sites connected to Kafka’s Jewish identity and his interest in Yiddish culture and theater. By tracing these footsteps, Kafka—one of the giants of modern literature—becomes more accessible and alive.

The Blue Sofa: Jewish Enlightenment and Present-Day Threats

On September 17th, the renowned literary platform “The Blue Sofa” makes its debut at the Jewish Culture Days. For over 20 years, this forum has welcomed prominent authors to share their work, and this year is no exception. Yael Kupferberg and Natan Sznaider will explore the relevance of Jewish thought in their talk, “Jewish Enlightenment from Moses Mendelssohn to Today,” drawing connections between Mendelssohn’s philosophy and the writings of critical theorist Max Horkheimer.

On September 18th, the focus shifts to contemporary issues with the panel discussion, “Is Democracy in Danger? Right-Wing Populism and Antisemitism as Threats.” As right-wing populist movements gain traction in Europe and the United States, this timely discussion offers a critical examination of the political and social challenges we face today.

Conclusion: A Festival that Digs Deep

The Jewish Culture Days in Berlin offer more than just a standard cultural program. They invite audiences to dive into the rich world of Jewish culture, literature, and history. Whether it’s the thought-provoking Stolpertexte that disrupt our daily routines, the homage to forgotten patron James Simon, or the profound discussions on the Middle East conflict and the dangers of right-wing populism, this festival showcases the depth and complexity of Jewish life and thought.

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